Nissen Wentzlaff Architekten, Basel/CH
Keramik Laufen
Walther Mory Maier, Münchenstein/CH (Tragwerksplanung); Eicher und Pauli, Bern/CH (Gebäudetechnik)
2010
Laufen/CH, Wahlenstraße 46
Fensterlos, monolithisch und komplett aus Sichtbeton ist ein Ausstellungs- und Besucherzentrum im Schweizerischen Laufen, das nach Plänen der Baseler Architekten Nissen und Wentzlaff entstand. Nur von einem einzigen Element gestützt, kragt es über einer kleinen Hangkante aus. Bei genauerer Betrachtung mag der ein oder andere Besucher an ein vergrößertes Abbild eines Waschbeckens denken – nicht verwunderlich, werden hier doch Badmöbel und Sanitärobjekte des Schweizer Herstellers Keramik Laufen ausgestellt, deren Formen eine große Ähnlichkeit mit dem Gebäude aufweisen.
Der zweigeschossige, gerundete Baukörper des sogenannten Laufen Forums liegt an der Wahlstrasse gegenüber eines vorhandenen Verwaltungsbaus aus den 1960er Jahren. Über einen in die Betonrundung geschnittenen Eingang betreten die Besucher das ovalförmige Gebäude und gelangen zunächst in ein zweigeschossiges Atrium, das auch für Veranstaltungen genutzt wird. Gerahmt wird es von einer Galerie mit Sichtbetonbrüstung; Böden und Decken sind schwarz gefärbt. Über zwei Treppen erreichen die Besucher die Ausstellung im Obergeschoss. Auch hier überwiegt die Farbe Schwarz und rückt die überwiegend weißen Keramikprodukte des Herstellers in den Vordergrund. Im Gebäudekern sind Toiletten, Fluchttreppenhaus und Steigzonen untergebracht. Im Untergeschoss befinden sich Lager- und Technikräume.
Rund Lichtkuppeln in der Dachfläche versorgen das Atrium mit Tageslicht. Sie korrespondieren auffallend mit den ausgestellten Waschbecken und sind so angeordnet, dass sie deren Präsentation im Lichteinfall nicht beeinträchtigen. Außerdem dienen sie zur Lüftung während der Nachtabkühlung. Das Klimakonzept ist so aufgebaut, dass die Speichermassen des Betons für angenehme Temperaturen sowohl im Sommer als auch im Winter sorgen. Geheizt wird das Gebäude über betonkerntemperierte Decken, die Dämmung der massiven Betonbauteile erfüllt den Schweizerischen Minergie-Standard.
Flächenschonend auf einer Hangkante platziert, kragen zwei Drittel des Baukörpers über den Parkplatz hinaus und werden nur von einem einzigen exzentrischen Punkt gestützt. Infolge der sehr hohen Lastkonzentration über diesem Auflager, die einem Gewicht von ungefähr 12 Lokomotiven entspricht, wurde eine im Beton liegende Stahlkonstruktion entwickelt, die diese Last in die Stützwand einzuleiten vermag. Vier weitere Lasteinleitungspunkte der Außenwand befinden sich im unterkellerten Bereich. Die zum Teil vorgespannten Decken haben eine Länge von bis zu 20 m. Die Spannbetondecke weist 48 Lichtkuppeln auf, ist 44 cm dick und wurde als Ortbetondecke hergestellt. 14 Stunden am Stück dauerte das Gießen der Decke. In ihrem Innern verbergen sich zwölf dicke Stahlseile der Betonverspannung, Ver- und Entsorgungsleitungen sowie die Elektroinstallationen. Um das Eigengewicht der Decken zu reduzieren, wurde Leca-Beton verwendet (= leight expanded clay aggregate), ein spezieller Leichtbeton.
Da sich differenzielle Setzungen unter den teils massiven Lasteneinleitungspunkten negativ auf das Tragverhalten des Gesamtbauwerks auswirken würden, ist die gesamte Konstruktion auf insgesamt 18, 12 m langen Bohrpfählen mit einem Durchmesser von 60 cm gegründet, die die Lasten direkt in den Fels einleiten. Die exzentrische Lagerung des Gebäudes führt bei wenigen Pfählen und unter bestimmten Lastfällen sogar zu Zugkräften, die ebenfalls abgefangen werden mussten. Mit seinen Spannweiten und Dimensionen entspricht das Tragwerk eher dem Brückenbau, als einem üblichen Hochbau. Für seine Berechnung waren mehrere statische Modelle erforderlich. Neben einer sehr aufwendigen dreidimensionalen Computeranalyse, waren auch Handrechnungen, Platten- und Scheibenbemessungen sowie diverse Fachwerkmodelle Bestandteil der Bemessung.
Vor den Decken wurde zunächst die gesamte Außenwand betoniert, die als Freiform von etlichen, genau definierten Radien bestimmt wird. Diese wurde mithilfe computergesteuert gefräster Schablonen in eine Beton-Schalung umgesetzt. Anschließend wurde die Betonfassade über beide Geschosse hinweg in einer Schalung gegossen – was die gewünschte homogene Oberfläche erzeugte. Die Bewehrungsführung wurde den komplizierten und runden Formen des Bauwerks angepasst und musste zum Teil mehrlagig und in einigen Bereichen auch nicht orthogonal verlegt werden.
Wie auch der Gebäudekern wurde die Außenwand als aussteifendes Element angesetzt. Da auch die oberste Decke eine wichtige Funktion in der Aussteifung des Gebäudes übernimmt, musste der gesamte Bau bis zum Bauende von einem Lehrgerüst abgestützt werden. Insgesamt erforderte der Bau von allen ausführenden Fachleuten großes handwerkliches Können und Geschick.
Bildnachweis: Ruedi Walti, Basel/CH und Maurizio Marcato, Verona/I für Keramik Laufen
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