Vehovar & Jauslin Architektur, Zürich
Evangelisches Tagungs- und Studienzentrum Boldern
Mateja Vehovar, Stefan Jauslin, Tobias Neumann, Jan Klein (Architektur); WGG Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel + Zürich: Tivadar Puskas, Stefan Bänziger (Statik); Integrale.Partner AG: Werner Staub/Junod Epper GmbH Bauagentur: Markus Epper (Bauleitung); Amstein+Walthert AG, Zürich: Christian Appert (Gebäudetechnik); Wichser Akustik + Bauphysik AG: Stephan Huber (Akustik); Reto Hufschmid (Baumeister)
2006
Männedorf, Boldernstraße 83
In die Anlage des evangelischen Tagungs- und Studienzentrums Boldern bei Männedorf am oberen Zürichsee fügte das Büro Vehovar & Jauslin Architektur einen Besinnungsraum als unabhängiges, architektonisch eigenständiges Gebäude ein. Der schlichte Betonbau mit seinen geschwungenen Wänden verkörpert das Ziel der Auftraggeberin: ein Raum der Stille und des inneren Rückzugs, frei von den Ablenkungen des Seminaralltags.
Von Weitem wirkt er erst einmal geheimnisvoll: Zwei nach außen geneigte, stetig ansteigende Betonwände formen mit ihrem hyperbolischen Grundriss den Raum der Stille. Folgt man dem geschwungenen Weg, wird man sanft ins Innere geleitet. Der Übergang zwischen innen und außen ist fließend, der Zugang gleicht mehr einer Verengung denn einem eigentlichen Portal.
Auch die Gestaltung des Innenraumes ist den Prinzipien der fliessenden Übergänge und der Raumverdichtung verpflichtet: Beim Eintreten findet man denselben gestockten Kunststeinboden vor, der schon den Zugangsweg bildete und eine lange Sitzbank entlang der Wand setzt sich nahtlos im Außenbereich fort. Letzterer ist wiederum mit einem Kies bedeckt, der schon dem Kunststeinboden als Ausgangsmaterial diente. Das Tageslicht findet seinen Weg ins Innere lateral: durch die beiden Glastüren und durch das Oberlicht, welches direkt zwischen Decke und Außenwand angebracht ist. So wird der Raum in seiner Reduktion spürbar und Ruhe Suchende sind gleichzeitig vor Einblicken geschützt.
Es war eine der Bedingungen der Auftraggeberin, dass der Raum konfessionsneutral und frei von religiöser Symbolik zu sein habe. Entsprechend entschlossen sich die Architekten, eine zurückhaltend sakrale Atmosphäre über die einzigartige Form des Raumes zu schaffen. Um ihre Idee zu verwirklichen, mussten sie jedoch tief in die technologische Trickkiste greifen. Nicht ohne Grund sind hyperbolische Gebäudegrundrisse, deren Wände um zehn Grad nach außen geneigt sind und erst noch eine ansteigende Mauerkrone aufweisen in der Architekturgeschichte eher die Ausnahme, waren solche Bauten doch bis dato – wenn überhaupt – nur unter großem finanziellem Einsatz möglich.
Beton bietet sich für freie Formen regelrecht an, der Schalungsaufwand hierzu ist jedoch nicht zu unterschätzen. Um die Rohbaukosten in einem vernünftigen Verhältnis zu den Gesamtbaukosten zu halten, wurde der gesamte Betonkörper inklusive aller technisch oder bauphysikalisch notwendigen Vor- und Rücksprünge am Computer modelliert. Aus diesen Daten wurde schließlich mittels CNC-Fräsen die Schalung erstellt, welche unter anderem aus ca. 700 unterschiedlichen Verbindungsrippen bestand.
So gelang es, ein uraltes Thema der Architektur – die Stille und Leere eines Raumes – mit zeitgemäßen Mitteln umzusetzen, ohne diese in den Vordergrund zu drängen. Der Raum wirkt durch seine Erscheinung, nicht durch seinen Herstellungsprozess. In seiner Abstraktion und Zurückhaltung liegt die Zweckmäßigkeit: die Möglichkeit zur Kontemplation.
Bildnachweis: Niklaus Spoerri/ Vehovar & Jauslin, Zürich
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