maio + maio architekten, München
Sailer Stepan und Partner GmbH, München (Tragwerksplaner); Ingenieurbüro Többen, München (Fachplanung); Prof. Dr.-Ing. Waubke & Ing. Klessinger, Bodenkirchen - Bonnruck (Bauphysik); Xaver Riebel Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Minderheit (Bauunternehmen); Singhammer Bodensysteme, Rimsting (Sichtestrich); HLS Heinrich Preis GmbH, München (Gebäudetechnik)
2014
München
Massivbau
zweischalige Betonbauweise mit innenliegender Dämmung,
WU-Beton
Ein großzügiges Wohnhaus in Oberbayern zeigt alle konstruktiven und formalen Vorzüge der Stahlbetonbauweise. maio + maio architekten realisierten das großzügige Haus für eine Familie bis ins Detail komplett in Sichtbeton.
Es ist ein Glücksgriff, wenn ein Bauherr mit Faible für Sichtbeton auf Architekten trifft, die mit dem authentischen Material formal und konstruktiv die Qualitäten und Möglichkeiten der Betonbauweise bis ins Detail ausloten können. Im städtischen Kontext gelang ein großzügiges Einfamilienhaus, das auf besonderen Wunsch der Bauherren Innen und Außen nahezu vollständig in Sichtbeton ausgebildet wurde. Eingebettet in ein heterogenes Wohngebiet am Rande der Innenstadt nimmt sich die Größe des Hauses durch seine skulpturale Form mit kleiner Dachlaterne zurück.
Die Architekten konzipierten für das 1.000 Quadratmeter große Grundstück ein Winkelhaus mit zwei senkrecht zueinanderstehenden Baukörpern. Die dadurch entstehende Garten- und Hoffläche bietet zwei Außenräume mit sehr unterschiedlicher Aufenthaltsqualität. Im Erdgeschoss mit seinen großen, ineinander übergreifenden Räumen aber guter Zonierung konnten die Architekten auf Türen verzichten. Durch die in alle Richtungen angelegten Blickachsen werden Gebäude und Grundstück auch von innen stets in ihrer Gesamtheit erfahrbar. Elegant nach oben führen eine Stahlspindeltreppe und eine gerade, von Sichtbetonwänden flankierte Treppe, die sich beide als skulpturale Elemente einfügen.
Beton kann sanft sein
„Es ist ein Haus, das auf diese Weise nur in Stahlbeton möglich ist“, erläutert Architekt Maio das Konzept. Sein Büro realisierte den ingenieurtechnischen Ansatz nicht halbherzig, sondern schuf mit der zweischaligen Betonbauweise mit innenliegender Dämmung ein Bauwerk, das sowohl an der Fassade als auch an den Innenwänden bewusst die authentische Struktur des gegossenen Betons, insbesondere die feine Maserung der gehobelten Schalplatten zeigt. Das Schalungsbild und der Verlauf der Fugen sind kein Zufallsbild, vielmehr bis ins letzte aufeinander abgestimmt. Für die Architekten entscheidend war, die Lage der Ankerlöcher so zu gestalten, dass sie innen wie außen, „also in Bezug zu Innenraum und Fassade, gleichermaßen ein harmonisches Bild ergeben“.
Selbst Leuchten sind auf das vorgegebene Raster ausgelegt. die Anordnung und Art der Möblierung bereits im Vorfeld mit bedacht. Eine weite Auskragung über den Essraum hinaus bildet einen geschützten Außenbereich. Im Zusammenspiel mit dem naturgrauen Beton wirken die eingebauten Teakmöbel nicht nur als farblicher Kontrapunkt; sie spiegeln zugleich Maserung und Struktur des Sichtbetons wieder. Bewohner und Besucher sind immer wieder überrascht, wie samtig die Betonoberfläche wirkt, und wie „gemütlich“ – eigentlich ein Unwort unter Architekten – sich das Sichtbetonhaus zeigt.
Ausgangssituation
„Geradlinig und in Sichtbeton“ war Vorgabe der Bauherren, deren Vorstellungen sich an der Architektur im Tessin oder Vorarlberg orientierten. Das Grundstück liegt in einem Wohngebiet aus den 30iger Jahren, das – nach einem ersten Erneuerungsschub in den 70igern und 80igern – nun wieder, und von Abriss begleitet, erneuert wird. Bauherren und Architekten wollten sich bewusst von der gefälligen, spekulativ ausgerichteten und teilweise gesichtslosen Bauträgerarchitektur abheben, die mit auf schick gemachten Walm- und Satteldächern die großen, teilweise zusammengelegten Grundstücke besetzt. Sie orientierten sich mit Ihrem Haus in Kubatur und Zurückhaltung am ursprünglichen Bestand.
Intelligente Betonbauweise
Niedrig zu bleiben war eine der städtebaulichen Vorgaben, die sich die Architekten setzten. Da keine Gestaltungssatzung, nur das bayerische Planungsrecht zu berücksichtigen war, ließ sich ein modernes Flachdach realisieren, dessen Fläche allerdings nur partiell als Austritt genutzt wird. So konnten die Brüstungsgeländer der Terrasse zurückgesetzt und die Wandhöhe der Fassaden weiter reduziert werden. Auch das Laternengeschoss ist nicht von allen Seiten zu sehen. Insgesamt wurde der Stahlbetonbau fugenlos geplant und vom Bauunternehmen Xaver Riebel aus Mindelheim komplett in Ortbeton ausgeführt.
So konnte das Architekturbüro ausführungstechnisch schwierige und das homogene, plastische Erscheinungsbild störende Wartungsfugen vermeiden. Die Ausführung der Betonwände in wasserundurchlässiger WU-Bauweise ermöglichte, auf eine Sockelabdichtung zu verzichten. In einer besonderen, nicht ohne Tragwerkplaner zu realisierenden Weise, liegt die prominente, sichtbare Betondecke im Erdgeschoss – wie eine aufgelegte Tischplatte – auf der inneren Tragschale auf. Zur bemerkenswerten Optik kommt, dass sich so die Zwangsbeanspruchung für die Außenwände reduzieren ließ, da die Decke keine Verformungsbehinderung für die Außenwand darstellt. Als gezielte Begleiterscheinung konnten so zum einen kostspielige Isokorb-Anschlüsse vermieden und zum anderen die Außenfassade von den Architekten ohne sichtbare Deckenkante ausgebildet werden.
Bis ins Detail maßgeschneidert
Alle Detailanschlüsse, etwa für die Vorhangschienen, die Einbauten, Dunstabzugshauben, Aussparungen für Türklinken oder LED-Anschlüsse, wurden von maio + maio architekten bereits im Rohbau vom Keller bis ins Dachgeschoss eingeplant. Die Laufschienen und Rahmen der verschiebbaren Fensterelemente aus Aluminium verlaufen flächenbündig in der Betonkonstruktion, die Flächenheizung verbirgt sich unter dem geschliffenen und polierten Betonestrich. Beton hat in diesem Haus Vorrang vor allen anderen Materialien. Kein Fenster- oder Attikablech, keine Sockelkante stört das skulpturale Erscheinungsbild. Selbst die Rinnen im Garagendach wurden aus Ortbeton gegossen. Ohne Sockelbleche oder Aufkantungen kann das Wasser am skulpturalen Bau abfließen.
Beton als samtige Hülle
Der Oberflächenbeschaffenheit des Betons in Sichtbetonklasse 3 galt besonderes Augenmerk. Die Kunst bei dieser Ausführung ist, die Lebendigkeit des Betons so zu steuern, wie es der Architekt vorgibt und es dem Bauherrenwunsch entspricht. Fertigteile mit ihrer immer gleichen Perfektion erscheinen vielen Sichtbeton-Liebhabern als unbelebt und wenig authentisch. Bei Ortbeton fallen Farbschattierungen und die Melange der Betonbestandteile als deutlichere Merkmale stärker ins Auge. So galt für die Rohbauer, die Sorgfaltskriterien beim Einbau genau zu berücksichtigen. Das für die Betonoberfläche gesteckte Ziel von maio + maio architekten konnte am besten über den Einsatz einer schwach saugenden Schalung mit leichter Holzmaserung umgesetzt werden. Die durchgehend scharf ausgebildeten Betonkanten schaffen klare Konturen am Korpus. In frühzeitiger Abstimmung mit dem Bauunternehmer waren Größe und Anordnung der Schal- und Schalhautelemente sowie die Lage der Ankerlöcher derart abgestimmt worden, dass deren Bild harmonisch in den Proportionen des Hauses und in der Gliederung der Fassade aufgeht. Betontechnologische Unterstützung erhielten die Münchner Architekten von Martin Peck, vom InformationsZentrum Beton, der unter anderem auf die Beratung von Sichtbetonbauwerken spezialisiert ist.
Bildnachweis: Markus Dobmeier
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