Office for Metropolitan Architectur (OMA), Rotterdam/NL
Außenministerium der Niederlande - Dienst Gebouwen Buitenlan
De Weger Ingenieurs- en Architectenbureau B.V., Rotterdam (Ingenieure); Ove Arup & Partners, Berlin (Ingenieure); Huygen Elwako Raadgevende Ingenieurs bv, Rotterdam (Installationen)
2004
Berlin, Rolandufer
Der Neubau der Botschaft der Niederlande liegt am Rolandufer in Berlin-Mitte, in der Nähe vieler Bundesministerien und am Ufer der Spree.
Der Rotterdamer Architekt Rem Koolhaas konnte sich in einem Dialogverfahren ohne Entwurf mit seiner Interpretation des holländischen Selbstverständnisses und mit seiner unkonventionellen Architekturauffassung durchsetzen. Er legte daraufhin für die Botschaft einen Entwurf vor, dessen Realisierung in Berlin mit größter Aufmerksamkeit begleitet wurde. Besonderes Interesse weckte sein Bauwerk für Berlin auch deshalb, weil er 1991 als Preisrichter des städtebaulichen Wettbewerbs Potsdamer Platz angesichts des Ergebnisses enttäuscht der Stadt den Rücken kehrte und Berlin "Reaktionismus, Provinzialität und Dilettantismus" bescheinigte.
Die Vorgaben des Berliner Senats, die sowohl die Blockschließung als auch eine öffentliche Uferzone zwischen Botschaft und Spree forderten, beantwortete Koolhaas mit der Idee eines "kontextualisierten Solitärs".
Das Herzstück des Komplexes bildet ein würfelförmiger Baukörper mit 27 Metern Kantenlänge, der das geforderte Raumprogramm nahezu komplett in sich aufnimmt. Er steht mit seiner Gebäudekante auf der Grundstücksgrenze zum Wasser. Durch die Kompaktheit dieses Baukörpers ergibt sich westlich und nördlich ausreichend Raum, um das Gebäude stadtvillenartig frei anzuordnen und es mit seitlicher Einfahrt und umlaufendem Garten- und Empfangshof von der Nachbarschaft abzusetzen.
An deren Brandwände gestellt, bietet ein schmaler L-förmiger Randbau Platz für einhüftige Wohnnutzungen und rahmt zusammen mit dem Hauptbau einen - zum Wasser hin - offenen Hof.
Der gesamte achtgeschossige Hauptbaukörper ist von einem so genannten „Trajekt“ durchzogen, das die gemeinschaftlichen Räume über alle Geschosse durch Treppen und Rampen verbindet und so einen kontinuierlichen öffentlichen Raum von der Straße bis zum begehbaren Dach erzeugt. Über diese Erschließungsfunktion hinaus hat Koolhaas dem Trajekt einen weiteren Zweck zugeordnet. Da das Gebäude zur Erhöhung der thermischen Masse und zur Reduzierung der Geschosshöhen keine abgehängten Decken erhalten hat, gewährleistet der Spiralweg auch die Belüftung der Räume. Auf diesem Wege zieht die Frischluft durch das gesamte Gebäude, sie kann an der doppelt verglasten Fassade wieder entweichen und wird dort durch die - einem Kamin ähnliche - Sogentwicklung nach oben gesogen.
An dieser mäandrierenden Binnenstraße, die teilweise auch aus der Kubatur hervortritt, sind die gemeinschaftlichen Funktionen angegliedert. Die Büroräume liegen in den Flächen zwischen Trajekt und Fassade auf versetzt angeordneten Halbgeschossen, die auch abteilungsübergreifende Servicezonen ermöglichen. Differenziert gestaltete Grundrisse führen dazu, dass trotz der angestrebten vertikalen Durchlässigkeit die einzelnen Abteilungen – Konsulat und Handelskammer auf den unteren Etagen, Botschafts- und Residenzräume in den oberen – deutlich voneinander getrennt bleiben. Eine „Skybox“ im fünften Obergeschoss, die zum Innenhof hervorspringt, gewährt besonderen Gästen Aussicht auf Berlins Innenstadt, sie wird vom Botschafter als Besprechungsraum benutzt.
Im Gegensatz zur im Büro- und Verwaltungsbau üblichen Trennung von Tragkonstruktion und Raumgliederung sind die tragenden Elemente hier als Wände ausgebildet, die mehrfach auch als Schrankmöbel dienen. Die stellenweise opaken, hochformatigen Glastafeln der Fassade stehen im Kontrast zur horizontal bewegten Struktur des dahinter liegenden Betongerüsts.
Neben der raumbildenden Idee des „Trajektes“, macht den besonderen Charme der holländischen Botschaft insbesondere Koolhaas' rauhe Materialcollage aus. Nicht das Material selbst steht dabei im Vordergrund, sondern vielmehr sein ungewohnter Einsatz und die Kombination mit anderen Materialen. Oft liegt der Reiz in der Kombination edler und preiswerter Bauprodukte. So lässt der Architekt hochwertige Sichtbetonflächen hinter Lochblechen oder Glaswänden zurücktreten und verleiht so einer Fassade Tiefe und Tranzsparenz.
Im Inneren sind die Wände des „Trajektes” mit poliertem Aluminium verkleidet und treten so in Kontrast mit dem Rohbaucharme der Sichtbetonkorridore. Für die vier skulptural angeordneten Fluchtbrücken zwischen Solitär und Randbau entschieden sich die Architekten für eine Fertigteilkonstruktion.
Bildnachweis: Johannes Marburg, Genf (1); Niederländische Botschaft, Berlin (2)
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