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Campus Vest in Recklinghausen

Scholl Balbach Walker Architekten Partnerschaft, Stuttgart

Architektur

Scholl Balbach Walker Architekten Partnerschaft, Stuttgart

Bauherr

Keis Recklinghausen Der Landrat

Projektbeteiligte

Schäfer Architekten und Ingenieurgesellschaft, Berlin (Projektsteuerung); Bollinger und Grohmann, Frankfurt am Main (Tragwerksplanung); Pfeil und Koch Ingenieurgesellschaft, Stuttgart (Bauphysik), Kiefer, Luft- und Klimatechnik, Stuttgart (Zuluft Kühlsystem); Scholl Balbach Walker Architekten Partnerschaft mit Glück Landschaftsarchitektur (Außenanlagen)

Jahr

2008

Ort

Recklinghausen, Campus Vest 3

Beschreibung

Im Jahr 2001 beendete die Verfüllung der Schachtanlage General Blumethal III/IV sowie die nachfolgende Aufgabe aller Betriebsstätten der Zeche den Steinkohlebergbau in Recklinghausen. Nachdem die 826 Meter tiefen Schachtröhren mit einem Durchmesser von sechs Metern mit Zement verfüllt waren, konnte das Gelände für eine neue Nutzung freigegeben werden. Seitdem sind am sogenannten Campus Vest eine Sporthalle sowie je ein Gebäude für das Herwig-Blankertz-Berufskolleg und eines für das Max-Born-Berufskolleg entstanden.

Benannt nach dem deutschen Physiker und Nobelpreisträger Max Born ist das Berufskolleg eine technisch ausgelegte Bildungseinrichtung mit Spezialisierung in den Ausbildungsbereichen Bau-, Elektro- und Maschinenbautechnik sowie Orthopädietechnik und Gestaltung. Das in direkter Nachbarschaft errichtete Herwig-Blankertz-Kolleg bietet ergänzend ein Ausbildungsangebot in den Bereichen Dienstleistung, Erziehung, Gesundheit und Pflege. Zusätzlich entstand eine Fünf-Feld-Sporthalle, die bis zu 2.000 Zuschauer fassen kann. Die Planung sämtlicher Gebäude stammt vom Architekturbüro Scholl Balbach Walker aus Stuttgart.

Da das ehemalige Zechengelände und eine unmittelbar verlaufende Bahntrasse die städtebauliche Entwicklung und das Image der angrenzenden Nachbarschaft stark beeinträchtigt hatten, bestand die Aufgabe für die Architekten auch darin, das Zusammenwachsen mit dem Stadtzentrum zu fördern und eine Architektur zu entwickeln, die den Ort neu definiert. Sie gruppierten die drei Baukörper U-förmig um einen Platz, der als Erschließungs- und Pausenfläche dient. Zur offenen Seite ordneten sie einen Parkplatz an, in dessen Mitte ein kleines mit Grubengas betriebenes Kraftwerk liegt.

Glas und heller Sichtbeton prägen die Fassaden aller drei Gebäude. Die beiden Schulhäuser gleichen sich zudem in ihrem äußeren Erscheinungsbild. Ihre jeweiligen Hauptzugänge orientieren sich mit einem lang gestreckten Einschnitt in der Gebäudehülle und durch horizontale Vordachscheiben aus Sichtbeton unterstützt, zum Platz hin. Jeder Einschnitt ist stützenlos ausgebildet. Die Lastabtragung der drei oberen frei auskragenden Geschosse erfolgt über Wand- und Deckenscheiben in eine zurückversetzte Lastebene. Sämtliche Fluchtwege führen über das Untergeschoss nach außen, so dass nichts die Homogenität der Hülle stört.

Treppen, Erschließungshallen, Atrien und Lichthöfe sorgen in beiden Gebäuden für eine komplexe räumliche Qualität, die durch die konsequente Tageslichtnutzung geprägt ist, von der auch die Flurzonen profitieren. Werkstätten, Unterrichts-, Fach- und Verwaltungsräume sind durch Trennwände in Leichtbauweise zoniert und auf die Anforderungen der jeweiligen Bildungseinrichtung abgestimmt. Jeder Raum ist mit akustisch wirksamen Wandpaneelen aus Birke-Multiplexplatten verkleidet und einem Parkettboden aus Eichenlamellen ausgestattet. Die Flurböden sind mit anthrazitfarbene Fliesen belegt. Um die Klarheit der Architektur nicht zu stören, wurden sämtliche Installationen in Decken- oder Bodentrassen verlegt sowie Einbauelemente wie Waschbecken und Schränke sorgfältig in die Innengestaltung eingepasst.

Mit einem auskragenden, zweigeschossigen Portal aus hellen Sichtbeton-Fertigteilen öffnet sich die Sporthalle ebenfalls zum Campus hin. Gleich einem Rahmen umschließt es die zurückgesetzte Glasfassade der Tribünenebene. Diese ist zweischalig ausgebildet, streng vertikal gegliedert und zwischen den schmalen Sichtbetongesimsen gespannt. Sie soll als Projektionsfläche dienen und gleichzeitig Transparenz und Durchlässigkeit vermitteln. Zudem ist sie ein wichtiger Bestandteil des energetischen Konzeptes. Die äußere Glashaut ist geschuppt ausgebildet und mit offenen Fugen ausgeführt, dahinter liegt in einem Abstand die primäre, thermisch trennende Glashülle.

Die Halle selbst ist unter das Campusniveau abgesenkt und folgt der natürlichen Topografie des Geländes auf der Westseite des Grundstücks. Überspannt wird sie von einem Tragwerk aus paarweise angeordneten Stahl- und Fachwerk-Trägern auf eingespannten Stahlverbundstützen. Auf ausfachende Windverbände in den Fassadenebenen konnte verzichtet werden. Der Halle vorgelagert ist eine breite Freitreppe, die als Zuschauertribüne und Sitzmöglichkeit dient. Auch sie ist aus hellem Sichtbeton hergestellt.

Beton

Für die Architekten spielte die Verwendung von Glas, Holz, Stein und Beton eine tragende Rolle, da ihre jeweiligen Oberflächen und Farben im Werkstoff begründet sind und nicht von zusätzlichen Materialien wie beispielsweise durch Putz veredelt werden müssen. Sämtliche tragenden Bauteile wie die Flachdecken, Längswände und Stützen sind aus Ortbeton  hergestellt und wirken gleichzeitig als Speichermasse. Verwendet wurde ein Hochofenzement CEM III, dessen helles Erscheinungsbild bei gleichzeitig geringer Rissbildung die Architekten bei vorigen Projekten schätzen gelernt hatten. Aus Hochofenzement hergestellter Beton weist ein wesentlich dichteres Gefüge auf und ist weniger porös. Durch Wärme bedingte Spannungsrisse, die insbesondere bei Hochleistungsbetonen auftreten können, sind bei Verwendung von Hochofenzement seltener anzutreffen.

Die Ausführung der Betonelemente mit geordneten Schalfugen und Spannlochbild ohne sichtbare Arbeitsfugen entspricht der Sichtbetonklasse SB 4, also besonders hohen gestalterischen Anforderungen. Für die Außenwände und die tragenden Dachelemente der Sporthalle kamen Fertigteile zum Einsatz, deren Herstellung hohe Anforderungen an die ausführende Firma stellte. Die konisch zulaufenden Deckenplatten kragen 80 cm aus, sind 5,20 m lang und an der schmalsten Stelle 20 cm hoch. Nur der Hartnäckigkeit und Erfahrung der Architekten ist es zu verdanken, dass die hohe Sichtbetonqualität erreicht wurde. Dies schien zunächst nicht so. Die Architekten hatten zwar dem Rohbauangebot zahlreiche Richtlinien (ÖNorm, HOZ für Ortbeton, StB-FT, DIN 1045 ) beigefügt und Musterwände erstellen lassen, die gewünschte gleichmäßige Sichtbetonoptik wurde jedoch nicht erreicht. Erst durch Gutachten und einen Wechsel des ausführenden Unternehmens konnte die gute Qualität der Fertigteile herbeigeführt werden.

Energiekonzept
Die Eigenschaften des Betons, Wärme oder Kälte zu speichern und an die Umgebung abzugeben, wurden in die Planung einbezogen. Eine luftgekühlte Bauteilaktivierung in den 30 cm dicken Ortbeton-Flachdecken sorgt für thermische Behaglichkeit in den Gebäuden. Sie besteht aus innenseitig gerippten Rohren aus Leichtmetall, die im Abstand von 62,5 cm in die Decken gelegt wurden. Die Luft wird in zentralen Lüftungsgeräten im Untergeschoss aufbereitet und über Steigleitungen auf die Geschosse verteilt. Dort strömt sie aus Deckenauslässen je nach Bedarf kühl oder warm in den Raum zwischen der zweischaligen Glasfassade und von dort in die Klassenräume. Über eine Überströmung im Türportal gelangt die Abluft in die Flurzonen, wird von da ins Untergeschoss abgesaugt und der Wärmerückgewinnung zugeführt.

Die Betonflächen dienen bei dem System als Speichermassen. Im Sommer sorgen die Luftmassen für die Kühlung der Massivbauteile über Nacht und eine verzögerte Abgabe während des Tages. Im Winter wird die Luft ganz natürlich über die Nutzer erwärmt. Reicht dies nicht aus, sorgen Fassadenkonvektoren im Winter für zusätzliche Wärme und Umluftkühlgeräte im Sommer für kalte Luft. Beide Geräte werden über Erdsonden gespeist.

Quelle

Baunetz Wissen Beton

Bildnachweis: Hans Jürgen Landes, Dortmund

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