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Eichendorff-Realschule in Reutlingen

Bamberg Architektur, Pfullingen

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Dauerhaftigkeit Oberfläche Schalung

Architektur

Bamberg Architektur, Pfullingen

Projektbeteiligte

Löffler Ingenieur Consult GmbH, Reutlingen (Tragwerksplanung); Adolf List GmbH & Co KG, Reutlingen (Rohbau); Peter Heinzmann (Betonfertigteile); FBW GmbH & Co KG, Reutlingen (Beton); Holcim (Baden-Württemberg) GmbH, Dotternhausen (Zement)

Jahr

2006

Ort

Reutlingen

Beschreibung

Die Reutlinger Eichendorff-Realschule feierte jüngst ihr 100-jähriges Jubiläum – und setzt mit ihrem Neubau für eine Ganztagesbetreuung Zeichen für die Zukunft. Nicht nur was das fachlich pädagogische Konzept der Ganztagesbetreuung betrifft; auch die Architektur spricht eine klare Sprache und erzielt mit wenig auserwählten Materialien große Wirkung: Wände und Treppen aus Sichtbeton, Sichtmauerwerk, Feinsteinböden, Holz und Glas prägen das Betonbauwerk.

Der Platz, an dem der Neubau entstanden ist, ist nicht unbedingt prädestiniert für ein Schulgebäude, das Raum und Konzentration für das Lernen bieten soll: Das Gebäude liegt unmittelbar an der wichtigsten Durchgangsstrasse durch das Reutlinger Zentrum, mit 70 000 Autos täglich einer der meist befahrenen Bundesstraßen überhaupt, eingegrenzt durch die Sporthalle und das 100 Jahre alte bestehende Schulgebäude.
Architekt Thomas Bamberg hat diese Herausforderung mit seinem Team kreativ angegangen. Der Neubau nimmt die stadträumliche Situation auf und schließt direkt an die mit sandgelben Ziegeln verkleidete Sporthalle an. Der neue längliche Baukörper fällt auf den ersten Blick in der Gebäudezeile der Konrad-Adenauer-Straße gar nicht auf, weil er mit seiner Höhe und Ausdehnung die Proportionen der bestehenden Sporthalle übernimmt. Damit bildet das Gebäude zugleich einen baulichen Schallschutz für den neuen Hofbereich, ein abgeschlossener, geschützter Schulhof, der zwischen dem alten Schulgebäude und dem Neubau der Ganztagesbetreuung entstanden ist.
„Mich brennts in meinen Reiseschuhn, fort mit der Zeit zu schreiten...", so lautete das Motto für das 100-jährige Gründungsjubiläum der Schule, das im Schuljahr 2006/2007 gefeiert wird. Die Bedeutung dieses Zitats aus dem Werk des Namenspatrons der Schule, der schlesische Dichter Joseph von Eichendorff, ist ungebrochen und es scheint, als hätte es sich Architekt Thomas Bamberg zu Herzen genommen. Er hat die aktuellen Anforderungen an eine Schule aufgegriffen und gleichzeitig eine Verbindung von alt und neu geschaffen.
Das zweigeschossige Gebäude der Ganztagesbetreuung öffnet sich nach Süden zum Schulhof hin mit großen Verglasungen, Fenstertüren und Öffnungen. Egal ob Sonnenschein oder Regen: Die Schüler können die Pausen draußen verbringen. Der Gebäudezugang liegt mittig in der Fassade, unter einem schützenden Dachvorsprung, der weit über den Schulhof auskragt. Stahlbetonverbundträger nehmen diese Auskragung auf. Dieser mittlere Gebäudeteil mit seinem höherliegenden Flachdach bringt für die Ganztagesbetreuung, welche an der nördlichen, geschützten Gebäudeseite angeordnet ist, ganztägige gleichmäßige Belichtung und Sonne aus östlicher, südlicher und westlicher Richtung.
Wie in einem Stummfilm kommt man sich vor, sitzt man auf der großen, breiten Holz-Fensterbank in der Mensa, die in der Nordseite des Gebäudes untergebracht wird. Einem Bild gleich rahmt das große rechteckige Fenster die Kulisse der Altstadt ein, der Verkehr ist nicht zu übersehen – und dennoch nicht zu hören. Ein Geschoss tiefer lassen die beinahe schiessschartenartigen Fenster den Verkehr auf ganz andere Weise erscheinen, es entsteht ein stroboskopartiger Effekt und man meint durch das ausschnitthafte Erleben der Fahrzeuge, dass die Autos sich ruckelnd vorwärts bewegen. Auf diese Weise wird die Bewegung und die Dynamik der Autos spürbar im Vergleich zum Statischen des Gebäudes.
Aus schallschutz- und klimatischen Gründen zeigt sich das Gebäude zur Straßenseite, der Nordseite hin, verschlossener. Die Außenfassade ist in normalformatigem Sichtbetonmauerwerk gestaltet. Diese höhere Investition rechtfertigt sich auf lange Sicht durch finanzielle Vorteile bei Reinigung und Gebäudeunterhalt.

Beton

Die Innenräume sind geprägt von Stein und Sichtbeton, kombiniert mit warmen Holztönen. Die Materialien schaffen nicht nur eine behagliche Atmosphäre, sondern bestechen auch durch pflegeleichten Oberflächen, die unempfindlich und abriebfest sind. Überhaupt hat Thomas Bamberg, seinen Erfahrungsschatz spielen lassen. Selbst wenn er beispielsweise während eines Studienaufenthalts in Japan auch das genaue Gegenteil kennengelernt habe, wie etwa Beton ohne jegliche Spur von Makel à la Tadao Ando, finde er, dass Beton lebe und wie jedes andere Material aus der Natur nicht immer gleichmäßig daherkommen müsse. „Ich mag den Beton "brut" und nehme deshalb bewusst in Kauf, dass auch die Sichtbetonflächen Arbeits- und Schalspuren haben. Nur an wenigen Wänden wurden bewusst neue Großflächenschalungen von Peri verwendet. Alles andere ist mit Schaltafeln gemacht, die das Bauunternehmen laufend benutzt. Was Bamberg am meisten freute, ist, dass auch der Bauherr von Anfang an zum „rauen Beton" gestanden ist und es diesbezüglich keine Diskussionen gab. „Hier wird nichts nachgespachtelt", so Bamberg. Mit dem Reutlinger Bauunternehmen Adolf List GmbH & Co KT, ebenfalls erfahren mit Betonbauten, wurde die Schaleinteilung bis ins Detail besprochen, um eine geordnetes Schalungsbild zu erzielen.
Seine Assoziation mit Schule verewigte Bamberg im Treppenhaus. Die Treppe, Fertigteiltreppen, die in einer umgekehrten Schalung gegossen Sichtbetonqualität bekommen und ohne zusätzlichen Belag bleiben, führen an einer Wand aus bunten Holzpaneelen entlang. Sie wirken wie aneinander ausgerichtete Buntstifte. „Das erinnert mich an meine Schulzeit und die damit verbundene Anforderung an Ordnung", grinst der Architekt. Mit solch einfachen Mitteln und kreativen Ansätzen hat er es nicht nur geschafft, große Wirkung zu erzielen, sondern genauso wichtig: Der Kostenrahmen von rund 1,5 Millionen Euro konnte eingehalten werden.
Trotz aller Modernität ist es gelungen, alt und neu auf harmonische Weise zu verbinden. Elemente der alten Fassade sind in die moderne Architektur aufgenommen, beispielsweise farbige Sockelbänder und der gelb gesprenkelte Beton im Außenbereich. Nicht nur Bambergs Architektursprache spricht für sich – Rektor und Lehrerkollegium lassen Wände sprechen und bringen Romantik auf Beton: mit schwarzen Lettern ist die Poesie von Josef Freiherr von Eichendorff (1788 – 1857) auf Beton verewigt. Unaufdringlich begegnet einem die Dichtung überall. Und sorgt so für Gesprächsstoff. Auch bei den Schülern, selbst wenn sie sich ansonsten anderer Lektüre hingeben.

Quelle

Bilder und Textmaterial mit freundlicher Genehmigung von opuc C | 3.2007

Bildnachweis: Siegfried Gragnato, Stuttgart

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