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Erweiterung einer Kunsthalle in Stockholm

Wingårdh Arkitektkontor

Architektur

Wingårdh Arkitektkontor

Bauherr

Fastighetskontoret Stockholms stad

Projektbeteiligte

Ingegerd Råman (Fassadenkunst), Ramböll Sverige (Landschaftsarchitektur); PEAB (Bauunternehmen, Beton- und Fassadenarbeiten); Kardorff Ingenieure Lichtplanung; WSP (Lichtplanung); AFRY und Efterklang (Akustikplanung); HTC (Fußbodenarbeiten); Plåt och Ståldesign; HIAK; MaxiDoor (Türen)

Jahr

2021

Ort

Stockholm, Falkenbergsgatan 3

Beschreibung

Funkelndes Wasser umgibt Djurgården, eine der östlichen Inseln im historischen Zentrum Stockholms. Das Eiland ist ein besonders prominenter Kulturort in Schweden: zahlreiche Museum finden sich hier, in denen die extravaganten Kostüme der Band ABBA, gern getrunkene Schnäpse oder das bereits bei seiner Jungfernfahrt gesunkene Schiff Vasa gezeigt werden. Hinzu kommt das Freilichtmuseum Skansen mit historischen Bauernhäusern und einer Bühne für die alljährlichen, im Fernsehen übertragenen Schlagershows. Am Westufer der Insel findet sich die Liljevalchs Konsthall, in der seit über 100 Jahren zeitgenössische Kunst zu sehen ist. 2021 erhielt der komplexe Bestand mit Liljevalchs+ einen von Wingårdh Arkitektkontor entworfenen Anbau. Er bietet nicht nur zusätzliche Ausstellungsräume, sondern macht auch die Erschließung des gesamten Ensembles komfortabler.

Die Straßenbahn nähert sich der Liljevalchs Konsthall von Norden kommend. Terrakottarot verputzte Fassaden, graue, hervorstehende Stützen, filigran gegliederte Fenster – von außen ist kaum erkennbar, dass es sich um einen der ersten großen Stahlbetonbauten Stockholms handelt. Wer nicht die Stufen zum Portal der 1916 eröffneten Kunsthalle nimmt, sondern um sie herumgeht, trifft seit kurzem auf einen bunkerartigen Betonblock. Auffällig sind der angesägt erscheinende Dachbereich und ein strenges Punktemuster in der Fassade. Bei genauem Hinsehen entpuppen sich die Punkte als Flaschenböden, die um wenige Zentimeter aus dem glatten Beton ragen.

Update für den Ausstellungsbetrieb
Jedes Jahr durchwandern rund 250.000 Menschen das Hochparterre des Bestandsgebäudes mit seinen 13 Ausstellungsäumen, die untereinander mehrfach verbunden und mit Nebenräumen und Korridoren verflochten sind. Darunter liegt ein noch komplexeres Souterrain. Diese teppichartigen Grundrisse führten dazu, dass das Gebäude beim Umbau zwischen zwei Schauen jeweils für drei Wochen geschlossen werden musste. Andererseits gab es keine wettergeschützte Verbindung zu dem Museumscafé und Restaurant Blå Porten (zu Deutsch: Das blaue Tor). Das pavillonartige, u-förmige Lokal rahmt einen begrünten Hof vor dem rückwärtigen Portikus. Ende der 2000er-Jahre erschien dem Museumsdirektor Mårten Castenfors diese Situation nicht mehr tragbar. 2013 gewann Wingårdh Arkitektkontor den Wettbewerb für einen Erweiterungsbau, der zugleich die Erschließungsprobleme des Bestands lösen sollte. Dieser wurde parallel, bei laufendem Betrieb renoviert und erhielt zeitgemäße Sanitär-, Lüftungs- und Sicherheitsanlagen.

Halb angehoben
Der kompakte Betonblock dockt westlich an die alte Kunsthalle an und liegt dort teilweise eingegraben in einem leicht ansteigenden Grundstück. Das Split-Level-System im Inneren vermittelt zwischen diesen Niveauunterschieden: Zwei L-förmige Gebäudeteile mit jeweils drei Ebenen umschließen einen mittig angeordneten Treppen- und Fahrstuhlkern. Während der hinten gelegene Teil an die Ebenen des Bestands anschließt, ist der vordere um ein halbes Geschoss angehoben. Auf diese Weise können die Besucherinnen und Besucher vom angrenzenden Parkplatz kommend den Neubau auf Straßenniveau betreten. Zugleich können Kunsttransporter, für die es einen anderthalb Geschosse hohen Entladeraum braucht, rückwärts in das Souterrain des hinteren Gebäudeteils einfahren. Hier befindet sich auch – als Fuge zwischen Alt und Neu – ein weiteres Treppenhaus.

Die Gebäudefront des Neubaus kennzeichnet ein langgestrecktes Schaufenster, hinter dem der Empfangs- und Shopbereich liegt. Er geht zum Bestand hin in ein schmales Café über, das zugleich den Durchgang zum Restaurant Blå Porten bildet. Über die zentrale Treppe erreichen die Gäste das Obergeschoss mit zwei Ausstellungsräumen. Ein weiterer sowie Sanitär- und Nutzräume sind im Kellergeschoss untergebracht. Der hintere Gebäudeteil verfügt wie der Bestand über ein Souterrain, in dem sich neben dem Anlieferbereich auch ein Ausstellungsraum befindet. Dieser kann separat erschlossen und mit einem der beiden Ausstellungsbereiche im Hochparterre verschaltet werden. Ein sechster Saal befindet sich im Obergeschoss.

Beton

Sichtbeton mit Glasobjekten
Spartanisch ist die Material- und Farbauswahl, die für den Neubau getroffen wurde: Außen wie innen dominieren Betonoberflächen. Sie stellen visuell einen Bezug zu der von außen ablesbaren Tragstruktur des Bestands her. Im Inneren sollen sie helfen, den Fokus auf Kunstwerke und Publikum zu lenken. Die Außenwände weisen einen zweischaligen Aufbau auf: außen 300 mm Beton, in der Mitte 300 mm Schaumstoffdämmung und innen 400 mm Beton.

Eine weitere wichtige Rolle spielt Glas. Die Wettbewerbsbedingungen für Liljevalchs+ enthielten eine Aufforderung, mit einer Künstlerin oder einem Künstler zusammenzuarbeiten. Der Bürogründer Gert Wingårdhs entschied sich für Ingegerd Råman. Die Keramik- und Glasdesignerin gestaltete mit, wie die Ausstellungsräume betreten werden. Vor allem aber trägt die mit alten Flaschenböden aus Klarglas gespickte Außenschale der Betonfassade ihre Handschrift. 6.860 der Glasobjekte wurden in rostfreien Zylindern montiert, die in die Schalung eingebaut wurden.

Insgesamt 170 Quadratmeter Glasfläche sind zudem Teil des Dachs: Die beiden großen Ausstellungssäle im Obergeschoss überspannt eine Kassettendecke mit 166 quadratischen Oberlichtern mit einer Grundfläche von jeweils zwei mal zwei Meter. Die mit dem Stahlbetonrost verschmolzenen, zwei Meter hohen Module verfügen über zwei gerade und zwei schräge Wände. Die Neigung setzt sich bis zur Rostunterseite fort sodass sich dort scharfe Kanten bilden.

Roh oder diamantgeschliffen
Wände und Unterzüge bestehen aus Ortbeton und wurden mit Brettern und Sperrholz im Format 125 mal 250 cm geschalt. Zum Einsatz kam ein selbstverdichtender Beton der Festigkeitsklasse C30/37 mit Standard-Portlandzement. Selbstverdichtender Beton ist sehr viskos und verdichtet sich ohne Rütteln. Die Betonmischung für die Böden musste etwas spezieller sein, um ein Diamantschleifsystem verwenden zu können. Das Schleifen dient dazu, eine Bodenoberfläche zu schaffen, die so eben wie möglich ist und zudem leicht schimmert. Auch die Oberlichter wurden vor Ort erstellt. Anders als die Außenwände sind sie jedoch einschalig und wurden entsprechend von außen gedämmt, damit im Innenraum der Beton sichtbar bleibt. -ml

Quelle

Baunetz Wissen Beton

Bildnachweis: Christoffer Grimshorn (Fotos); Johan Dehlin (Fotos); Wingårdh Arkitektkontor (Pläne)

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