Gerhard Sacher, Sacher Locicero Architectes, Graz
Privat
Jaromír Gargulák, Brno und Karlheinz Simonitsch, Klagenfurt (Künstlerische Gestaltung); Pittino, Graz (Tragwerksplanung); Petautschnig Bau, Murau (Bauunternehmen); Dyckerhoff, Wiesbaden (Weißbeton); Doka Schalungstechnik, Maisach (Dreischichtschaltafeln), Peri, Weißenhorn (Birkensperrholzschalungsplatten)
2014
Zollfeld, Kärnten, Österreich
Mitten auf dem Zollfeld, einer von Wiesen geprägten und von Bergen gerahmten Talebene in Kärnten, scheint ein kleines, strahlend weißes Haus wie aus der Landschaft geschnitten. Es ist die Familienkapelle Maria Magdalena; geplant hat sie der Architekt Gerhard Sacher vom Büro Sacher.Locicero.Architectes aus Graz. Ihre klare Form entlehnte er den klassischen Kapellen, wie es sie seit dem frühen Mittelalter gibt, ihre Proportionen folgen dem Goldenen Schnitt nach der Lehre des „Vitruvianischen Menschen“ von Leonardo da Vinci.
Der Sakralbau liegt nahe der Stadt St. Veit an der Glan in Sichtweite von Burg Hochosterwitz. Er hat eine Grundfläche von rund 27 Quadratmetern und ein spitzgiebeliges Satteldach mit einer Firsthöhe von 7,78 Metern. Seine Seitenwände und das Dach bestehen innen wie außen aus glatt geschaltem Weißbeton, die Giebelseiten sind verglast. Der Zugang erfolgt über einen gekiesten, etwas abgesenkten Vorplatz an der Westseite der Kapelle. Durch ein fast gebäudebreites Doppelflügeltor aus handgeschlagener Bronze, das von dem tschechischen Künstler Jaromír Gargulák gestaltet wurde, gelangen die Besucher hinein. Wände und Dach sind weiß, der Boden mit beigefarbenen Travertinplatten belegt. In beide Betonwände sind je drei Lichtschlitze eingeschnitten, von denen einer pro Seite bis in die Dachfläche reicht. Ausgefacht sind sie mit farbigen Glasfenstern, die der Kärntner Künstler Karlheinz Simonitsch mit Motiven der Schöpfungsgeschichte versah. Die seitlichen Laibungen sind abgeschrägt und so konzipiert, dass möglichst morgens und abends Licht durch die bunten Scheiben hineinfällt.
Der Chor befindet sich eine Stufe erhöht an der verglasten Ostseite. Sie ist präzise auf die Wallfahrtskirche am Magdalensberg ausgerichtet. Davor steht mit etwas Abstand zur Kapelle ein schlichtes Bronzekreuz im Außenraum – ebenfalls ein Werk von Jaromír Gargulák. Beidseitig des Chors sind Nischen in die Wände eingearbeitet: In der rechten hat die namensgebende Maria-Magdalena-Statue ihren Platz, in der linken sind 12 kleine Urnenfächer eingelassen. Zwischen den Fensterschlitzen der Nordwand gibt es drei weitere Aussparungen: In ihnen verschwinden die ausklappbaren Sitzbänke aus weiß gekalkter Eiche, wenn sie nicht gebraucht werden oder sich zu viele Personen in der Kapelle aufhalten. Denn die Familie nutzt den Sakralbau nicht nur, um Ruhe und Kontemplation zu finden, sondern auch für kleine und große Feiern.
Der gesamte Baukörper besteht aus 53 Kubikmeter selbstverdichtendem Hochleistungsbeton (SVB), der eine hohe Festigkeit und eine erheblich weichere Konsistenz aufweist als herkömmlicher Beton. Um eine schalungsankerfreie, homogen durchgehende Betonoberfläche zu erzielen, wurde eigens ein Stahlträgergerüst entwickelt, an dem die zweilagige Schalhaut montiert wurde. Die erste Lage bestand aus üblichen Dreischichtplatten und diente als Niveauausgleich für den Beton, die zweite aus großformatigen, nicht saugenden Birkensperrholzschalungsplatten. Ihre Abmessungen von 7,50 x 2,70 Meter sorgten für das fugenarme Schalungsbild der Sichtbetonoberflächen.
Aufgrund des Fließverhaltens des Betons mussten die Schaltafeln sehr präzise aneinandergefügt werden. Die Stöße wurden größtenteils mit einer CNC-Fräse auf Gehrung geschnitten und an den Fugen zusätzlich abgedichtet. Betoniert wurde in zwei Arbeitsgängen: im ersten entstanden aus rund 18 Kubikmeter Beton die beiden Seitenwände mit ihren zahlreichen Vor- und Rücksprüngen, im zweiten aus etwa 35 Kubikmeter Beton die um 63 Grad geneigten Dachflächen. Hierbei wurden spezielle Stahlrohre zur Verteilung mit Füllöffnungen beidseitig an der Giebelspitze in den Bewehrungszwischenraum eingelegt, um den SVB dann giebelseitig von unten nach oben pressen zu können.
Bildnachweis: Gerhard Sacher, Graz / www.sacher-locicero.com
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