Brückner & Brückner Architekten GmbH, Tirschenreuth | Würzburg
Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab, vertreten durch Landrat Andreas Meier
Tragwerk: Ingenieurbüro Ederer, Bechtsrieth
Sanitär: BSK Büro, Etzenricht
Heizung/Lüftung/MSR: Gammel Engineering GmbH, Abensberg
Elektro: EAS SYSTEMS GmbH, Neustadt a.d. Waldnaab
Brandschutz: DAI Dorn Architekten Ingenieure mbH, München
Bauphysik: Wolfgang Sorge Ingenieurbüro für Bauphysik GmbH & Co. KG, Nürnberg
Schadstoffbeurteilung: Ingo Block Umweltberatung, Lappersdorf
Vermessung: Galileo-IP Ingenieure GmbH, Altenstadt a.d. Waldnaab
Verarbeiter Fassade: Thiel Fassadenbau GmbH, Feucht bei Nürnberg
Rohbau: Josef Bauer GmbH, Niedermurach
Stahlbau: W. Markgraf GmbH & Co KG, Immenreuth
Sonnenschutz: Wilhelm Sonnenschutz GbR, Floh-Seligentahl
Fenster- und Pfosten-Riegel-Fassaden: Bietsch Holzverarbeiteung, Ofterschwang
Dachabdichtungsarbeiten: Holzbau Kohl GmbH & Co.KG, Edelsfeld
Holzverkleidung Haupteingang Außen: Wehr GmbH, Klatensondheim
Außenanlagen: Rolf Schmidt GmbH, Schirmitz
2022
92660 Neustadt an der Waldnaab, Bildstraße 20
Die beeindruckende Beton-brut-Fassade (vorgehängte, hinterlüftete Fassade) des Bestandsgebäudes von 1977 wird durch ressourcenschonende Transformation aufgewertet und umgewandelt.
Das Bestandsgebäude des Gymnasiums wurde maximal erhalten, kritische Materialien der 70er Jahre entsorgt, ein komplett neues Energiekonzept erarbeitet und umgesetzt.
Preisträger Architekturpreis Beton 2023
Der Jury gefällt die gelungene Revitalisierung des Gebäudes. Besonders die Aufwertung des Erscheinungsbildes, bei der die Materialität nicht verleugnet wird. Die konsequent nachhaltige Herangehensweise überzeugt. Ein hervorragender Umgang mit einem Schulbau aus den 1970er Jahren und ein wichtiger Beitrag für die heutige Zeit.
Wolkenfetzen segeln über die Fassade, Föhren und Eschen des nahen Waldes schimmern und lösen sich wieder auf. Mit jedem Schritt scheint das Haus zu schwingen und sich in immer weiteren Spiegelfragmenten neu zusammenzusetzen. Der Haupteingang des sanierten Gymnasiums Neustadt an der Waldnaab zieht alle Blicke auf sich. Mal scheint er die Umgebung einfach zu verflüssigen, dann wieder schält sich das Volumen des Hauses heraus. Nur, wer Arbeiten von Brückner & Brückner Architekten nicht kennt, mag überrascht sein, das runderneuerte Beton-brut-Ensemble zu sehen, das vor dreieinhalb Jahrzehnten südöstlich der Altstadt entstand. Mit ihrer Mischung aus Materialbewusstsein, konstruktivem Denken und sensibler Einfühlung haben sich Oberpfälzer Baumeister den Ort genau angesehen und mit dem Bestand gearbeitet, bis aus der von Schülern wie Lehrern ungeliebten Lehranstalt ein Vorzeigeprojekt für modernen Unterricht und sorgfältigen Umgang mit dem Bestand wurde. Hier wurde wenig abgerissen und entsorgt, sondern das Material wiederverwendet, vor allem aber die Stärken des Hauses von 1977 herausgekehrt. Einmal von abgehängten Decken und Einbauten befreit, zeigen sich die räumlichen Qualitäten des brutalistischen Betonbaus: eine großzügige Aula, breite Korridore und lichte Klassenzimmer. Hier gibt sich das Haus von seiner schönsten Seite: Beim Innenausbau hin zu einem weißstrahlenden Zentrum entwickeln Brückner & Brückner Architekten die räumlichen Qualitäten und vorhandenen Materialien weiter. Der Bestandsboden wurde wiederaufbereitet, die breiten Korridore erhielten Sitznischen und Sichtfenster, welche die Klassenzimmer öffnen. Selbst Lehrerzimmer und Sekretariat wurden transparent. Insofern wurde vollendet, was der pädagogische Aufbruch der 60er-Jahre im Blick hatte – eine offene Gesellschaft, die sich in einer ebensolchen Schule widerspiegelt. Apropos spiegelt: der Wechsel aus rauen und glänzenden Oberflächen, von Reflexion und Statik wurde Zeichen des gesamten Hauses, das die Architekten selbst als „Lernhaus auf der Lichtung“ begriffen.
Das sanierte Haus besticht durch kluge Eingriffe und eine Metamorphose der Materialien – vom massiven Baukörper hin zu einer flirrenden Lernlandschaft. Die schiere Masse des 11.090 Quadratmeter großen Hauses und seiner erneuerten Betonfassaden löst sich in der spiegelnden Leichtigkeit der modernen Aluminiumfassade auf, die den Charakter des Gymnasiums ins Leichte wendet. Die Architekten gaben dem Haus eine Perspektive. Von der Bildstraße geht es über eine neobarocke Freitreppe aus alten Betonsteinen hinauf zum Haupteingang, gerahmt von spiegelnden Aluminiumverbundplatten. Aufstieg durch Bildung. Früher wäre das ein Platz gewesen für eine Kirche oder eine Schlossanlage. Dass der Schule eine solch herausgehobene Lage zukommt, kann nur als Ermutigung verstanden werden, hier die einzig wahren Ressourcen der Bundesrepublik zu fördern: Neugier, soziale Kompetenz und Wissen. Der spiegelnd verkleidete Haupteingang erhält repräsentativen Charakter als echtes Eingangsportal. Immer wieder löst sich das Ganze vexierbildhaft auf. Doch je näher die Betrachtung, desto sichtbarer wird ein Element, das zwischen dem alten Strukturbeton und seiner neuen Haut vermittelt: in die Fassade eingearbeitete Aluminiumstreifen schlagen einen eigenen Rhythmus an – wie eine freie Begleitung des Grundtons. Jede zweite bis vierte Rille der vorgehängten, hinterlüfteten Strukturbetonplatten erhielt eine Füllung aus schmalen Aluminiumstreifen, die den Gegensatz aus Masse und Massenauflösung überbrücken und so die Nahtstelle zwischen Bestand und Neubau bilden.
Sanierungskonzept
Nicht alle erinnern sich gerne an die eigene Schulzeit. Vorn die Lehrerin, hinten die Klasse, die gefälligst zuhören und mitschreiben sollte. Und zwar ruhig. In der Oberstufe wurde aus den Bänken immerhin ein großes U geformt. Zum Glück sind die Zeiten des Frontalunterrichts vorbei. Die Tafel wurde zum Whiteboard, aus dem Overheadprojektor ein Beamer – und einseitige Wissensvermittlung durch selbstständiges Lernen in Gruppen- oder Einzelarbeit ergänzt. Lehrmethoden haben sich grundlegend gewandelt, aber so manche Schularchitektur bleibt immer noch gefangen in den Konzepten von vorgestern. Das muss nicht sein. Loris Malaguzzi, Mitbegründer der frühkindlichen Reggio-Pädagogik, sprach vom „Raum als dritten Pädagogen“. Die „größere Flexibilität des Schulraumes“ seit den 60er-Jahren ist nun in Neustadt an der Waldnaab zu erleben.
Mag sein, dass die Tirschenreuther Architekten Brückner & Brückner Architekten den Aufstieg durch Bildung durch ihre eher symbolisch zu lesende Treppenanlage überbetonten; in Zeiten, in denen der Bildungserfolg noch immer am Geldbeutel der Eltern hängt, ist eine transparente, durchlässige Schule wichtiger denn je. Brückner & Brückner sahen sich in einer dienenden Rolle. Sie wollten in erster Linie das „Bauwerk freilegen und auf neue Weise zur Geltung bringen“. Alles andere ergab sich aus daraus: Die Kommunikation zu fördern und eine ansprechende Lernumgebung zu schaffen durch natürliche Holz- und Mineralwerkstoffoberflächen. Transformation ist eben nicht nur eine Sache guter Planung, sondern muss immer vermittelt werden – bis hin zur Haptik. Die strahlend helle Aula ist das natürliche Zentrum des Hauses und vermittelt das Gefühl von Offenheit und Wertschätzung, noch bevor es in lichten Gängen zu den Klassenzimmern geht beziehungsweise zur Schulbibliothek mit Vortragsraum und Galerie, die den ehemaligen Innenhof ersetzt.
Die umfassende Sanierung des in Split-Level-Struktur errichteten Hauses (samt Cafeteria, Schulbibliothek und Dreifachturnhalle) erfolgt in zwei Bauabschnitten, sodass die rund 600 Schülerinnen und Schüler und 64 Lehrkräfte kein Ausweichquartier beziehen müssen.
Aufbruch statt Abbruch prägt die Sanierung des sechsstöckigen Gebäudes, die funktionierende Strukturen aufgriff. „Das Bestandsgebäude des Gymnasiums wurde maximal erhalten, kritische Materialien der 70er-Jahre entsorgt, ein komplett neues Energiekonzept erarbeitet und umgesetzt“, beschreiben die Architekten, die bewusst auf Wärmedämmverbundfassaden verzichteten und stattdessen auf die Innendämmung der Strukturbetonfassaden zurückgriffen. Alles andere wurde ergänzt und aufgewertet: Sockelflächen gedämmt, Brüstungen und Säulen mit einer Innendämmung versehen sowie die Dachkonstruktion komplett neu aufgebaut und den heutigen Energiesparvorgaben angepasst, ergänzt durch eine moderne Hackschnitzel-Energiezentrale. Ein holistischer Ansatz, der nichts dem Zufall überließ. Diese Haltung spiegelt sich auch in einem selbstbewussten Statement der Architekten: „Unsere Herangehensweise ist konsequent nachhaltig. Der Bestand aus Beton wurde erhalten und ins 21. Jahrhundert transformiert. Ein Projekt, das reflektiert – das Licht, die Natur, den Umgang mit Bestandsbauten und das Lernen. Bildung in Beton aus den 1970er-Jahren kann sehr qualitätsvoll sein.“ In der Tat: die revitalisierte Schule zeigt, wie ein zeitgemäßer Umgang auch mit Beton-brut und Strukturen des letzten Jahrhunderts aussehen kann: wertschätzend und perspektivisch. Dieser Ansatz sollte Schule machen.
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