Ludloff + Ludloff Architekten, Berlin
Laura Fogarasi-Ludloff, Jens Ludloff, Berlin
Herbert Fink, Berlin (Statik); Ingenieurbüro Schiller, Belzig (Haustechnik)
2008
Berlin Mitte, Bernauer Straße
Tragende Konstruktion aus Ortbeton
An kaum einer anderen Stelle ist die ehemalige Teilung der Stadt Berlin deutlicher sichtbar als in der Bernauer Straße, an der entlang die Mauer verlief. Bis heute zeugt eine breite Schneise auf ihrer Südseite vom einstigen Verlauf der Grenzanlagen. Eine Insel bestehend aus 16 Stadthäusern füllt den ehemaligen Mauerstreifen mit neuem Leben und leitet einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Straße ein. Eines dieser Stadthäuser ist das Haus FL. Dessen Entwurf stammt von den Berliner Architekten Ludloff und Ludloff, die gleichzeitig seine Bauherren sind. Auf einem trapezförmigen, zum Garten hin breiter werdenden Grundstück, entwickelten sie das dreigeschossige, unterkellerte Wohnhaus als Abfolge verschiedener Farbräume, die optisch und räumlich fließend ineinander übergehen.
Die Fassaden spannen sich zwischen die Brandwände der Nachbarbebauung, von der sie sich jedoch deutlich unterscheiden. Zur Stadtseite ist das Haus mit einer geschlossenen Front als gedämmte Holzständerwand aus gebürsteten und geölten, horizontal gestoßenen Fichtenbrettern ausgeführt. Elegant rundet sich die metallisch wirkende Fläche im Erdgeschoss zum leicht zurückgesetzten Eingang ab. Das leicht schimmernde anthrazitfarbene Erscheinungsbild der Holzwand entstand einerseits durch den Auftrag von Eisenoxyd, andererseits durch das Bürsten der Hölzer. Durch die Bearbeitung tritt die Maserung deutlich hervor und die horizontalen Fugen kommen weniger stark zur Geltung. Die Einarbeitung bündig sitzender Fensterelemente ruft die Assoziation an ein Möbelstück hervor, ein Motiv, das sich auch im Innenraum fortsetzt. Die 8,5 Meter breite Gartenseite ist im Kontrast zur schmaleren Eingangsseite mit einer Ganzglasfassade versehen, die sich über große Schiebetüren zum Garten hin öffnen lässt.
Im Untergeschoss des Hauses befindet sich das Büro, im Erdgeschoss fließen Eingangsbereich, Küche sowie Ess- und Wohnbereich ineinander über. Eingestellte Körper wie ein Schrankmöbel im Windfang oder ein niedriger Kubus zwischen Küche und Essbereich definieren die räumliche Zuordnung. Im Bodenbereich ist der Ess- und Wohnbereich um eine Stufenhöhe angehoben, die an der Stufenkante mit dem hölzernen Schrankmöbel zu einer Einheit verschmilzt; ansonsten ist der Boden als massiver grauer Betonestrich hergestellt. Im ersten Obergeschoss befinden sich die Kinderzimmer mit dem "Turnsaal" als offener Raum in der sich öffnenden Treppenzone, im zweiten Geschoss ist das Elternschlafzimmer und ein weiterer Wohnbereich angeordnet. Eine einläufige Treppe aus Betonfertigteilen zwischen Brandwand zum Nachbarn und tragender Betonschotte verbindet die Geschosse untereinander. Sie ist mit Holz verkleidet und mit Linoleum belegt.
Durch die verwendeten Materialien Holz und Beton, die an ausgesuchten Flächen mit einem akzentuierenden Anstrich kombiniert wurden, entsteht ein lebhaftes Farbspiel im Inneren des Hauses. Während die Böden im Unter- und Erdgeschoss in grauem Beton gehalten sind, wechselt der Bodenbelag in den oberen beiden Geschossen in einen roten Linoleumbelag. Im Bereich der rötlichen Holztreppe ist eine Wand mit rauem Putz versehen und in satte Farben mit geometrischen Farbfeldern getaucht. Sie steht im Kontrast zur rohen grauen Betonschotte auf der anderen Seite. Ein helles Blau führt nach oben, ein dunkles Rot verändert den Lichteinfall durch das Oberlicht, ein freundliches Orange lässt den zusätzlichen Wohnraum im obersten Stockwerk wohlig erscheinen. Die verschiedenen Farben verschmelzen zu einer Einheit und tragen zu einer abwechslungsreichen Stimmung im Haus bei, verändern sie sich doch je nach Licht und Tageszeit.
Das Haus ist als Niedrigenergiehaus mit erhöhten Anforderungen an die Wärmedämmung errichtet. Seine tragende Konstruktion besteht aus Ortbeton. Über eine 99 Meter tiefe Erdwärmesonde und eine Wärmepumpe wird es mit Energie für die Betonkernakivierung der Decken und Wände versorgt. Gleichzeitig dienen die Betonelemente als Speichermasse. Die Betonoberflächen der Flachdecken und Wände zeigen die sehr lebhafte Struktur der verwendeten Schalelemente. Sie blieben unbehandelt und sind bewusst roh belassen, um die Spuren des Herstellungsprozesses, die Materialität und die Haptik hervorzuheben.
Die Lastabtragung erfolgt ausschließlich über die Brandwände, Nord- und Südfassade sind an die Deckenplatten gehängt. Die Spannrichtung der Decken verläuft parallel zu den Fassaden. Aufgrund des trapezförmigen Grundrisses ergeben sich unterschiedliche Deckenspannweiten. Im Bereich der Nordwand trägt die Decke über 5 Meter als reine Plattenkonstruktion, während an der Südfassade 8,50 Meter zu überbrücken waren. Aus diesem Grund erfolgt die Aussteifung der Deckenplatten auf der Gartenseite im Erdgeschoss über einen Überzug, der zur Verkürzung der Spannweiten an der Betonschotte des Treppenhauses abgehängt ist. Im 1. Obergeschoss wird diese Spannweite mittels Unterzug ausgesteift, die Flachdecke über dem 2. Obergeschoss erhielt zur Verringerung der Durchbiegung eine Stahlstütze.
Die Belichtung im Treppenbereich erfolgt über zwei große kreisrunde Oberlichter in der oberen 20 cm dicken Ortbetondecke. Sie sind aus Betonschachtköpfen aus dem Kanalbau hergestellt. Das Flachdach ist als Gründach ausgebildet.
Bildnachweis: Jan Bitter, Berlin
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