Hans Scharoun; Pitz und Hoh, Berlin (Restaurierung)
Fritz Schminke 1933; Stadt Löbau und Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg in Bauherrengemeinschaft
Pilcher Ingenieure, Berlin (Statik); Hollerung, Reichenbach (Fassadensanierung); Lobers und Partner, Dresden (Haustechnik)
1933; Sanierung 2000
Löbau, Kirschallee 1b
Kein geringerer als Hans Scharoun plante das Wohnhaus für den Nudelfabrikanten Fritz Schminke und dessen Familie in Löbau. Mit dem schiffsartigen Bauwerk schuf er einen Meilenstein in der Architekturgeschichte der Moderne, das sich in seiner Bedeutung neben Mies van der Rohes Haus Tugendhat in Brünn sowie Frank Lloyd Wrights Gebäude Fallingwater in Pennsylvania reiht - alles Häuser, die exakt auf die Bedürfnisse ihrer Bauherren zugeschnitten waren.
1930 beauftragte Schminke den als „revolutionär” geltenden Architekten, ihm ein modernes Wohnhaus für zwei Eltern, vier Kinder und ein bis zwei Gäste zu planen. Am 1933 fertiggestellten Gebäude verwirklichte Scharoun seine Vorstellungen von Licht, räumlicher Weite und schnörkelloser Sachlickeit. 12 Jahre lebte die Familie in der Kirschallee 1b direkt neben dem Fabrikgelände, bis 1945 die Rote Armee das Haus beschlagnahmte und Fritz Schminke enteignet wurde. Danach wurde das Gebäude als Erholungsheim der FDJ, als Pionierhaus und Freizeitzentrum genutzt, bis es zwischen 1999 und 2000 umfassend saniert und in seinem Originalzustand weitestgehend wiederhergestellt wurde.
Faszinierend ist die Gartenseite mit den Rundumläufen aus Stahl, dem bootsähnlichen Korpus aus Beton und den Bullaugenfenstern, die das damalige Interesse am Schiffsbau widerspiegeln. Fast schwerelos scheinen die Ebenen übereinander zu liegen, nur getrennt von geschosshohen Glasfronten. Eine weit auskragende Platte am Eingang als Überdachung für Fahrzeuge scheint die Schwerkraft zu überwinden. Die Eingangs-Südseite gestaltete Scharoun als glatte Wandfläche mit großen Fenstern und einem Wintergarten, dessen Fenster sich schräg aus der Fläche herausschälen. Schmale Stahlrahmen umrahmen die Verglasungen. Auf Gesten einer repräsentativen Villenfassade verzichtete er gänzlich, stattdessen sind Stürze und Geländer farbig hervorgehoben und durch spielerische Elemente ergänzt wie die seitlich liegende Treppe und der Wintergarten.
Im Inneren des Hauses lässt das hereinfallende Licht die Räume fließend ineinander übergehen. Der Wohnraum ist direkt mit einem großen Speiseraum verbunden, in dessen Decke runde Deckenglaskörper zusätzliches Tageslicht in den Raum bringen und ihn optisch größer wirken lassen. Eine raumgestaltende Treppe führt in die ebenso hellen Schlaf- und Kinderzimmer im Obergeschoss. Möbel und Einbauschränke zeugten von dem Wunsch nach Modernität und Funktionalität. Die Einrichtung der Küche aus pflegeleichten Materialien entstand nach den Prinzipien der Frankfurter Küche.
Nach dem Mauerfall wurde die Stadt Löbau auf das Bauwerk aufmerksam, weil Scharen von architekturinteressierten Besuchern es besichtigen wollten. Im Mai 2009 übernahm die Stiftung Haus Schminke die Trägerschaft. Sie soll dafür sorgen, Hans Scharouns „liebstes Haus” als Erbe für künftige Generationen zu erhalten, es sinnvoll zu nutzen, wissenschaftlich zu erforschen und öffentlich zugänglich zu machen. Von Dienstag bis Sonntag kann Haus Schminke besichtigt werden, Übernachtungen sind ebenfalls möglich.
Der Baukörper ist als einfache Stahlskelettkonstruktion erstellt und mit Bimsbetonsteinen ausgefacht, überdacht mit einer flachen Hohlsteindecke. Hohlsteindecken zählen zu den Halbfertigteildecken und bestehen aus vorgefertigten Deckenträgern mit Betonfußleiste und eingebautem Gitterträger sowie den dazwischen einzuhängenden und in diesem Fall 10 cm dicken Deckenhohlsteinen mit 4 cm dickem Aufbau aus Schlackenbeton.
Zahlreiche Umbauten bei Missachtung bauphysikalischer Regeln führten im Laufe der Jahre zu Durchfeuchtungen, Putzschäden, Befall mit Mikroorganismen, Feuchte- und Korrosionsschäden. Das Instandsetzungskonzept sah die Erhaltung und behutsame Reparatur der originalen Bau- und Ausstattungsteile vor. Problemfelder waren das Dach, die Stahlfenster, der weiß durchfärbte Edelkratzputz und die im Originalzustand sehr eigenwillige und deshalb für nicht sinnvoll rekonstruierbar gehaltene Farbigkeit. Die mit der Sanierung beauftragte Werkstatt für Architektur und Denkmalpflege Pitz und Hoh sorgten für den Erhalt des Putzes, dessen hochhydraulischer Mörtel Zuschläge von Sand, Kalk und Glimmer beigefügt wurden. Diese verleihen dem Putz je nach Lichteinfall eine reflektierende Oberfläche.
Das Dach aus einer 11 cm dicken Schaumplatte zur Dämmung sowie einem Doppelpappdach mit aufgewalzter Natursteinbestreuung entsprach bauphysikalisch nicht den heutigen Anforderungen. Bei der Sanierung wurde eine auf das Klima des Hauses abgestimmte Wärmedämmung verwendet. Die Dachrandausbildung wurde mit rundgezogenen Blechen und ohne optische Einbußen wiederherstellt. Auch die Stahlfenster blieben erhalten, sie wurden, um die Bausubstanz nicht weiter zu schädigen, in eingebautem Zustand aufgearbeitet. Lüftungsflügel, Vorhänge, Rollläden und Schilfmatten regeln das Raumklima, seinerzeit schon von Hans Scharoun so geplant.
Bildnachweis: Stiftung Haus Schminke, Löbau
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