OMA / Reinier de Graaf mit Alex de Jong, Michel van de Kar und Roza Matveeva.
Oscar Properties
Tragwerksplanung: Arup
Strukturmatrizen: Reckli GmbH
2020
113 65 Stockholm, Schweden, Torsplan 8
Internationaler Hochhauspreis 2020
Die Norra Tornen („nördliche Türme“) stehen in Stockholm links und rechts der Ausfallstraße Torsgatan am Übergang von Vasastaden, einem Wohnviertel mit Bebauung überwiegend aus den 1930er Jahren, zum neu entstehenden Stadtteil Hagastaden. Sie bilden eine neue, städtebaulich prägende Torsituation, die durch ihre skulpturale Wirkung besticht. Wie eine Treppe recken sich die beiden Wohntürme in den Himmel. Sie repräsentieren eine zeitgemäße und zukunftsfähige Vision für die Stadt und nehmen ein bekanntes stadtgestalterisches Motiv in Stockholm auf: Doppeltürme wurden in der schwedischen Hauptstadt bereits in der Vergangenheit als symbolische Tore eingesetzt. Gleichzeitig nehmen die Türme mit ihrer sandbraunen Betonfassade auch die bestehende bauliche Struktur Stockholms in ihrer Farbigkeit und anwachsenden Figur auf.
Das Projekt wird in Stockholm als „Tor zur Stadt“ gefeiert. „Norra Tornen ist ein industrielles Hochhaus, aber es versucht, ein menschliches Gesicht zu zeigen“, beschrieb OMA-Architekt Reinier de Graaf bei der Eröffnung des ersten Wohnturms seine Vision für das Projekt. Für OMA stellte der Bau der Zwillingstürme diverse Herausforderungen dar. Die Baugrundstücke waren mit 660 und 575 m2 sehr eng und begrenzt. OMA übernahm die Pläne von Stockholms Stadtplaner Aleksander Wolodarski, dessen Idee nicht über die Entwurfsphase hinausgekommen war. De Graaf und sein Team entschieden sich, seinen Plan für zwei unterschiedlich hohe Türme beizubehalten.
OMA setzte dabei auf die modulare, serielle Bauweise mit Betonfertigteilen. Die Gebäude sind von der sechsten Etage an komplett vorgefertigt – Böden, Wände und Fassadenelemente. Die vorgefertigten Betonelemente erlaubten es, die Baustelle auch bei unter 5 °C fortzuführen und sparten erheblich Zeit – pro Woche wurde ein Stockwerk fertiggestellt. Rund 300 Wohneinheiten sind hier in kürzester Zeit entstanden. In ihrem Inneren gibt es zudem Gemeinschaftsräume zum Feiern oder für Filmabende, die die Bewohner per App buchen können. Auch eine Sauna, ein Fitnessstudio und ein Yoga-Raum sind vorhanden.
Beim Design folgte das Architekturbüro seinem Anspruch „die nächste Generation von modernen Wohnformen zu schaffen, die größtmögliche Varietät mit einer limitierten Zahl an Fertigelementen zu kreieren und die übliche Formalität eines Wohnturms mit Individualität, Wohnlichkeit, sogar Menschlichkeit zu ersetzen.“ Die asymmetrische vertikale Form der Türme bekommt horizontal Spannung durch eine Würfeloptik. Die Betonfertigteile springen abwechselnd vor und zurück, sodass der Eindruck von übereinandergestapelten Wohnwürfeln entsteht. Balkon-Flächen und Wohnbereiche mit dreifachverglasten großformatigen Fenstern wechseln sich ab. Letzter sorgen für mehr natürliches Licht – in Schweden mit seinen langen Wintern ein bedeutendes Element des Wohnkomforts. „Aus gestalterischer Sicht hat uns die Vorfertigung maximale Variationsmöglichkeit bei geringstmöglicher Anzahl von Details eröffnet – was im Vergleich zu traditionellen Bauweisen wiederum viel wirtschaftlicher war. Insofern kann das Projekt Norra Tornen als Vorbild für andere Projekte dienen“, so der Architekt. Die Rippenstruktur der Fassadenelemente wurde mithilfe elastischer Strukturmatrizen in die Betonoberfläche geprägt. Eine Standard-Ausführung der Matrize wurde nach den Vorgaben der Architekten individuell angepasst: Anhand von Zeichnungen, die die Abstände zwischen den einzelnen Rippen, Winkeln und Tiefe der Aussparungen genau definieren, wurde ein Positivmodell aus Holz gefertigt. Auf dem Modell wurden die Strukturmatrizen gegossen, mit denen der Betonverarbeiter in Schweden 1.400 Betonelemente für den ersten Turm fertigte. Für den kleineren Zwillingsturm wurden 1.300 Elemente produziert.
Dänischer Sandstein sorgt für die sandbraune Farbe des Betons. Die Anreicherung mit kleinem Gestein gibt ihm das Aussehen von Waschbeton. Die Matrizen wurden im Werk auf die Schalungen geklebt, dann wurde der Beton eingegossen. Nach dem Aushärten lassen sie sich problemlos vom Beton abziehen und die Struktur wird sichtbar. Für die polierte Optik der Betonoberfläche wurden die Elemente nach dem Ausschalen mit einem Diamantschleifer poliert, bevor sie ihren Platz an der Fassade fanden. Die heterogene Form und rau-elegante Außenhaut der Türme sind Ausdruck von de Graafs Anspruch, mit der gewohnten Uniformität und homogenen Fassadengestaltung bei Hochhäusern zu brechen. Die Rippen-Optik widerspricht gängigen Erwartungen und fesselt den Blick an das Gebäude. So dient die Fassade nicht nur als optische Vervollständigung des Entwurfs, sondern als Botschafter: Sinnbild für die Individualität, die sich in den Wohneinheiten verbirgt.
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