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Kantinenerweiterung in Leipzig

Oscar Niemeyer, Rio de Janeiro (Entwurf); Ana Niemeyer Arquitetura e Consultoria, Rio de Janeiro – Jair Valera (Design); Kern Architektur, Leipzig – Harald Kern (Ausführender Architekt und Projektleitung)

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Architektur Schalung

Architektur

Oscar Niemeyer, Rio de Janeiro (Entwurf); Ana Niemeyer Arquitetura e Consultoria, Rio de Janeiro – Jair Valera (Design); Kern Architektur, Leipzig – Harald Kern (Ausführender Architekt und Projektleitung)

Bauherr

Techne Sphere – Kirow, Leipzig und HeiterBlick, Leipzig

Projektbeteiligte

Ingenieurbüro Förster + Sennewald, München (Tragwerksplanung); dechant hoch- und ingenieurbau, Weismain (Bauunternehmen); Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat, München (Betontechnologische Beratung); Müller BBM, Planegg (Bauphysikalische Beratung); R+R Fuchs, München (Fassadenberatung); Tuchschmid, Frauenfeld (Stahl- Glas-Konstruktion); eyrise – Merck Window Technologies, Veldhoven (Konzeption, Herstellung und Lieferung der Flüssigkristallgläser); Licht Kunst Licht, Bonn / Berlin (Lichtplanung)

Jahr

2020

Ort

Leipzig, Niemeyerstraße 2-5

Beschreibung

Gewerbe und Kunst existieren vielerorts in guter Nachbarschaft. So auch im Westen von Leipzig: Nur etwa 50 Meter entfernt von den Hallen der ehemaligen Baumwollspinnerei, in denen unter anderem Ateliers und Galerien untergebracht sind, befindet sich das Gelände der Unternehmen Heiterblick, Hersteller von Stadt- und Straßenbahnen, sowie Kirow, Weltmarktführer für Eisenbahnkrane.

In Leipzig prägt die Kunst jedoch nicht nur das Umfeld der Industrie, sie hat – dank eines architektur- und kunstaffinen Inhabers – auch den Sprung aufs Werksareal geschafft. Markantes Zeichen dafür ist seit kurzem die Niemeyer Sphere, eine spektakuläre Erweiterung der Betriebskantine. Entworfen wurde der Anbau an einen bestehenden Ziegelbau von 1927 von Oscar Niemeyer, geplant und umgesetzt posthum durch seine langjährige rechte Hand Jair Valera in Zusammenarbeit mit dem Architekturatelier Harald Kern als ausführendem Büro vor Ort.

Ein Kosmos für sich
Ein abgestürzter Planet, eine Schneekugel, die an der Gebäudeecke des alten Kesselhauses kleben geblieben ist, oder ein Ball, der von Niemeyer nach Leipzig zurückgespielt wurde – die Geometrie der Erweiterung lädt dazu ein, sich bei ihrer Beschreibung metaphorisch aus dem Fenster zu lehnen. Zur zeichenhaften Wirkung trägt die glatte und helle Oberfläche der Kugel bei, die kaum Spuren ihrer Erstellung zeigt. Der tragende Schaft wurde dem Mauerwerk des Bestandes farblich angepasst, sodass die sphärische Form alle Blicke auf sich zieht.

Statt kleinformatiger Fenster, die mit der Logik der Kugel brechen würden, ersann Niemeyer zwei riesige geschwungene Öffnungen, die sich gegenüberstehen und dadurch beim Anblick des Bauwerks an das Yin-und-Yang-Symbol denken lassen. Diese doppelt gekrümmten Flächen mit den unregelmäßigen Rändern zu verschließen war eine der großen Herausforderungen der Bauaufgabe. Nun sitzen in den Öffnungen geodätische Stahlmaßwerke. Die Verglasung – insgesamt wurden 234 Elemente verbaut – besteht an der oberen Hemisphäre aus Flüssigkristallglas. Dieses lässt sich zur Verschattung und Hitzereduktion auf Knopfdruck dunkel färben.

Raum für Genüsse
Die Sphäre wird als Veranstaltungsraum und, an ausgewählten Tagen, als öffentlich zugängliches Restaurant genutzt. Abends nach Betriebsschluss lassen sich dort mehrgängige Menüs genießen. Erschlossen wird die Kugel auf mehreren Wegen: Von außen gelangt man über einen Aufzug im Schaft aus rotbraunem Sichtbeton sowie über ein Nachbargebäude und eine Brücke in das Café. Eine gewendelte Treppe führt von dort aus auf das obere Niveau, das sich auf Höhe des Äquators befindet.

In dieser Lounge öffnet sich der Blick auf der einen Seite in den Himmel, während auf der anderen Seite eine geschwungene Wand einen Servicebereich begrenzt. Für die Bekleidung dieses Bauteils verwendete das Planungsteam weiße Fliesen mit einer rot gefärbten Strandskizze Oscar Niemeyers.

Auf die Dachterrasse, die sich auf dem Bestandsgebäude erstreckt, gelangen die Gäste von der Lounge aus. Von außen erlaubt eine als Himmelsleiter angelegte Treppe den Zugang. Die Küche ist im Bestandsgebäude untergebracht und über einen Durchgang mit dem Café verbunden. Ganz unten in der Kugel ist die Technik untergebracht.

Erkennungszeichen und Botschaft
Die Kombination von kulinarischem Genuss und räumlicher Exklusivität soll bei den Gästen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die ungewöhnliche Architektur ist dabei auch ein Marketinginstrument, das dabei hilft, die internationale Bekanntheit der Unternehmen zu steigern. Wie viel Bedeutung der Anziehungskraft der Kugel eingeräumt wird, zeigt die Umbenennung des Werksgeländes: Als „Techne Sphere“ erscheint es nun als Pendant zum benachbarten Kunstareal.

Beton

Der Bestand trägt nicht mit
Die Erweiterung besteht aus dem turmartigen Unterbau mit Aufzug und den darauf aufgesetzten Bauteil, der von außen als Kugel erscheint. Der Anbau wurde in Ortbeton erstellt und ist statisch vom Altbau komplett unabhängig beziehungsweise durch Fugen davon getrennt. Gedämmt wurde auf der Innenseite mit Schaumglas.

Zunächst ließ das Planungsteam den Kugelschaft betonieren. Er besteht aus einem braunrot pigmentierten Beton C30/37 mit einem Größtkorn von 16 mm. Für die Sphäre wurde ein wasserundurchlässiger Beton (Druckfestigkeitsklasse ebenfalls C30/37, Größtkorn 8mm) verwendet, den das Planungsteam mit Titanweiß pigmentieren ließ. Zunächst wurde die untere Hemisphäre samt Ringbalken erstellt, dann die obere Halbkugel und zum Schluss Decken und Treppe.

So makellos wie möglich
Die Herausforderung bei der Herstellung der Kugelschale bestand darin, außen eine einheitliche Oberfläche in einem hellen Farbton ohne Verfärbungen zu erreichen. Vorab wurde ein Kuppelteilstück zur Probe betoniert. Dabei testete man auch die Schalhautbehandlung und legte Bewehrungsführung und Rütteltechnik fest. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass sich an einigen Stellen – vor allem im Bereich der oberen Hemisphäre – die gewünschte Sichtbetonqualität bautechnisch nicht herstellen ließ. Nur dort wurde die fertige Kugelschale außen nachträglich geweißt.

Bei der Bewehrung der Kugel entschied man sich für Stäbe, die noch keine Spuren der Oxidation zeigten, also frisch aus dem Werk geliefert wurden. Die Baustelle war während der Arbeiten an der Kugel von einem verfahrbaren Gerüstdach geschützt. Um Verfärbungen zu verhindern, musste der Beton früh ausgeschalt und dadurch bis zum endgültigen Aushärten noch anderweitig gestützt werden. -chi

Quelle

Baunetz Wissen Beton

Bildnachweis: Fotografien: Margret Hoppe und Sebastian Stumpf / Licht Kunst Licht, Bonn und Berlin; Pläne: Kern Architektur, Leipzig

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