OFFICE Kersten Geers David Van Severen, Brüssel; Richard Venlet, Brüssel
Opdrachthoudende Vereniging voor Crematoriumbeheer in het arrondissement Oostende (OVCO)
Util Struktuurstudies (Statik); HP engineers (technische Gebäudeausrüstung); Bureau Bas Smets (Landschaftsarchitektur); Braet (Generaluntenehmer)
2021
Ostende, Grintweg
Manche sprechen vom Dach als fünfte Fassade – Aber wie wird sie für die Menschen vom Boden aus sichtbar? Die Mitarbeitenden des belgischen Büros OFFICE Kersten Geers David Van Severen hatten eine Idee: Sie neigten die enorme quadratische Dachfläche des Crematorium Polderbos bei Ostende. Wer sich dem Flachbau von der Stadt kommend nähert, kann so die Komposition aus geometrisch-skulpturalen Aufbauten, Oberlichtern und den Kanälen des Drainagesystems erahnen.
Für all jene, die im Rahmen einer Feuerbestattung Abschied nehmen von Verstorbenen, ist das Krematorium eine der wichtigen Stationen. Der Gebäudetyp mit seinen Kühlräumen, den riesigen Öfen und zahlreichen Nebenräumen zur Anlagensteuerung und Vorbereitung der Zeremonien ist einerseits geprägt von technischen Geräten und den damit verbundenen Abläufen. Andererseits soll all das den Gästen verborgen bleiben, wenn sie am Gebäude ankommen und in der Trauerhalle Platz nehmen. Diesen Zwiespalt wollte das Planungsteam überwinden, indem es das neue Crematorium Polderbos als großen gekippten Betontisch entwarf.
Die Deckenplatte des Flachbaus erscheint als helles Quadrat zwischen den Gräsern, Sträuchern und Büschen der Polder südöstlich von Ostende. Künftig wird auf dem ehemaligen Ziegeleigelände außerdem eine vom Büro Bas Smets entworfene Landschaft mit rhythmischen Baumreihen und weiteren Elementen heranwachsen. Die Bäume werden auch die zwei parallelen Stichstraßen säumen – eine für den Bestattungsbetrieb und eine für Trauergäste – die von Süden kommend weit auf das Grundstück führen und jeweils mit einer Schleife am neuen Krematorium enden. Neben einer Rundung an der niedrigsten Stelle des Gebäudes befindet sich der Haupteingang. An der gegenüberliegenden Ecke, wo der Schornstein durch die Dachplatte sticht, befindet sich der höchste Punkt des Gebäudes – und ein weiterer Zugang für Angestellte, der direkt zu den technischen Räumen führt.
Flachdach mit Betonstillleben
Durch die Neigung entlang der diagonalen Achse werden die zahlreichen skulpturalen Elemente sichtbar, die sich über die quadratische Dachfläche verteilen: zwei angeschnittene Kuppeln – eine kantig, die andere kugelförmig – eine Betonscheibe mit elliptisch gebogener Rückwand sowie zwei Durchbrüche in Form einer halben Ellipse und eines Dreiecks. Hinzu kommen unzählige punktartige Oberlichter. Dieses abstrakte Stillleben entwarf das Architekturbüro gemeinsam mit dem Künstler Richard Venlet. In eines der Elemente integriert ist der Schornstein. Genauso sind die tief in die Dachhaut eingeschnittenen Entwässerungsrinnen Teil der Komposition, die von Weitem als dunkle Linien erscheinen. Sie führen das Regenwasser überwiegend ins Gebäudeinnere, wo es in den Wänden abgeleitet wird. Außen sind zusätzlich Rohre in zwei der Rundstützen integriert. Die umlaufende, äußere Stützenreihe hat das Entwurfsteam bis an die Dachkante herangerückt. Das eigentliche Gebäudevolumen hingegen ist etwas kleiner als die Dachfläche. Auf diese Weise entsteht – ähnlich einer Kolonnade – eine Folge überdachter Außenräume mit meist trapezförmigen Grundflächen.
Raumhaltige Wände für ungestörte Trauerzeremonien
Die besondere Geometrie der Kolonnade entsteht, weil der Grundriss des eingeschossigen Gebäudes diagonal zur quadratischen Dachfläche verdreht und in Streifen gegliedert ist: Vier breitere nehmen jeweils eine der Hauptfunktionen auf: die Krematoriumstechnik im Westen, die beiden Trauerhallen in der Mitte und das Foyer und den Büros im Osten. In zwei schmalen Streifen sind Flure, Garderoben, Lagerräume und Sanitärräume versteckt – einer raumhaltigen Wand gleich. Auf der Westseite trennt eine solche die Trauerfeiern von den Geräuschen der Verbrennungskammern und des Luftreinigungssystems. Auf der anderen Seite können in diesem Bereich vom Foyer kommend Jacken und Mäntel abgelegt werden, bevor einer der Säle betreten wird. Sie bieten 270 und 170 Personen Platz. Eine mobile Trennwand ermöglicht sie zusammenzuschalten oder zu trennen, wenn mehrere Zeremonien gleichzeitig stattfinden.
Stringente Konstruktion
Der Grundrissorganisation folgend, sind die in Längsrichtung verlaufenden Wände als Betonschotten ausgebildet. Querwände in den raumhaltigen Wänden und im technischen Bereich sowie ein hoher Unterzug in der Trauerhalle steifen die Konstruktion aus. Die Schotten sind unterschiedlich lang, sodass die Fassade abgestuft ist. Einige der südwestlichen Räume sind angeschnitten, um Platz zu lassen für die Kolonnade. Im Osten sticht ein halbkreisförmiges Volumen mit Büroräumen und einem schmalen Lichthof aus dem ansonsten rechteckigen Grundriss heraus. An diesen Stellen, genauso wie zwischen den Schottenenden, ist die Fassade transparent und zweischichtig: Durch innenliegende Glasfenster und vorgehängte, perforierte Aluminium-Wellbleche ist schemenhaft die umgebende Landschaft erkennbar. Zur Verbesserung der Raumakustik in den Trauersälen sind alle Inneneinrichtungen und Möbel rund um die nackten Betonwandflächen mit speziellen Wolltextilpolstern zu verkleidet.
Pigmentiert und gespritzt
Die Wände, die Stützen und das Dach der Stahlbeton-Konstruktion wurden allesamt vor Ort erstellt. Das Material ist innen wie außen präsent. An den Sichtbetonwänden und -decken ist immer noch die Holzstruktur der Schalung sichtbar. Anders bei den Böden: In den Technikzonen enthält die oberste Betonschicht ein lehmfarbenes Pigment, das einen Bezug zur umgebenden Landschaft herstellen soll. Hingegen wurde in den öffentlichen Bereichen des Gebäudes – etwa in den beiden Trauersälen und im Foyer – Stäbchenparkett verlegt.
Um die Dachskulpturen zu gießen, fertigte das Baustellenpersonal spezielle Unterkonstruktionen aus Holz an, die als Basis für die die Schalbretter dienten. Die fertig ausgeschalten Betonformen wurden innen mit hellem Akustikschaum ausgekleidet. Außen wurde zunächst eine Dämmschicht aufgetragen; anschließend erhielten die Dachskulpturen ihre anthrazitfarbene Spritzbeton-Oberfläche. Dazu wird der Beton mit einer Spritzdüse lagenweise flächig aufgetragen. Der hohe Druck verdichtet das Stoffgemisch gleichzeitig. -ml
Bildnachweis: Bas Princen (Fotos); OFFICE Kersten Geers David Van Severen (Pläne und Baustellenfotos)
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