Fernando Menis, Santa Cruz, Teneriffa (Mitarbeiter:Karolina Mysiak, Jaume Cassanyer, Javier Espílez)
Stadt Toruń
Martínez Segovia, Fernández, Pallás y asociados, José Antonio Franco López, Madrid (Tragwerksplanung Entwurf); Fort Polska, Tomasz Pulajew (Tragwerksplanung Ausführung); Studio A4 Spółka Projektowa, Jacek Lenart (Bauleitung); Pracownia Architektury i Urbanistyki SEMI, Torún (Stadtplanung); Elseco, Szczecin (Elektrotechnik); Iskierski Mariusz, Biuro Inżynierskie for HVAC Systems, Szczecin (Haustechnik); José Luis Tamayo, Santa Cruz (Bühnentechnik); Pedro Cerdá, Santa Cruz (Akustik); Cemex Polen (Beton)
2015
Toruń, Polen, Aleja Solidarności
Wie vom Himmel gefallene Steinblöcke wirken die Baukörper, aus denen sich das Kultur- und Kongresszentrum Jordanki im polnischen Toruń zusammensetzt. Beim Aufprall scheinen sie an einigen Stellen aufgebrochen, ihre Oberfläche abgeplatzt zu sein. Anders als die „heile" Oberfläche aus sandfarbenem Sichtbeton weisen diese Stellen eine reliefartige, von roten Ziegelbruchstücken durchsetzte Struktur auf. Der Entwurf für dieses außergewöhnliche Bauwerk stammt von Fernando Menis Arquitectos aus Santa Cruz auf der Kanareninsel Teneriffa.
Das Jordanki liegt eingebettet in den Grüngürtel der historischen Wallanlage im Nordwesten der mittelalterlichen Altstadt. Insgesamt besteht es aus vier lang gezogenen Bauvolumen: Zwei schmale Riegel, in denen die Verwaltung bzw. die Technik untergebracht sind, rahmen zwei breitere Riegel, in denen sich der große und der kleine Saal befinden. Da das Bauwerk aufgrund der prominenten Lage nicht zu hoch werden sollte, haben es die Architekten bis zu 18 Meter tief in den Boden eingegraben.
Besucher betreten das Kultur- und Kongresszentrum auf der östlichen Schmalseite des breitesten Riegels. Von hier gelangen sie in die Eingangshalle, die mit ihren teils schrägen Wänden, abgeknickten Deckenflächen und ihrer speziellen Materialität einen höhlenartigen Charakter besitzt. Die vorgehängten Wand- und Deckenelemente bestehen aus Beton, dem gebrochener Ziegelstein beigemischt wurde und deren Oberflächen am Ende mit dem Hammer bearbeitet wurden. Picado nennt Fernando Menis diese von ihm entwickelte Technik. Sie wechseln sich ab mit brettrau geschalten Sichtbetonoberflächen, die die Übergänge und Erschließungskerne markieren. Die schmalen Bereiche zwischen den einzelnen Baukörpern sind als gläserne Fugen ausgebildet. Sie wirken wie Schlitze und erlauben beim Durchqueren des Gebäudes gezielte Blicke nach außen.
Höhepunkt des Raumerlebnisses sind die beiden Säle, die rundum in Picado-Technik gestaltet sind. Sie lassen sich bei Bedarf zusammenschalten, um der geforderten Flexibilität des Bauwerks zu entsprechen: Im Jordanki sollen Konzerte, Festivals Theateraufführungen, Kongresse und Bankette stattfinden können. Auch die Bestuhlung der Säle ist aus diesem Grund herausnehmbar. Die Rückseite der Bühne des großen Saals lässt sich gar öffnen, um dann den dort gelegenen Platz mit Open-Air-Aufführungen zu bespielen. Und so sieht Menis das Bauwerk zurecht als „Tor“, das nicht nur Alt- und Neustadt, sondern auch innen und außen, geschäftliche und kulturelle Nutzung auf eine besondere Art miteinander verbindet.
Die Außenwände des Gebäudes sind als zweischalige Konstruktionen ausgebildet. Für die äußere Schale kam ein sehr heller selbstverdichtender Beton der Festigkeitsklasse C30/37 mit einer Gesteinskörnung zum Einsatz, dessen Größtkorn 5 mm beträgt. Diagonal auf den Schalungen befestigte Bretter ergaben die gewünschte schräge Holzstruktur auf der Fassade. Sie wird durch die ebenfalls schrägen Dehnungsfugen zwischen den plattenartigen Feldern noch betont. Für die Picado-Flächen montierte man OSB-Platten auf die Schalung. Darauf wurden Ziegelbruchstücke aufgeklebt und nach dem Ausschalen manuell mit Bohrhämmern gestockt.
Die Innenwände bestehen aus einem Beton der Festigkeitsklasse C30/37 mit einem Größtkorn von 16 mm. Seine sehr fließfähige Konsistenz bewirkte, dass der Beton nur geringfügig mit Rüttlern verdichtet werden musste. Dort, wo die Wände unverkleidet blieben, wurden sie in Sichtbetonqualität mit brettrauer Oberfläche ausgeführt. Als grobe Regel lässt sich erkennen, dass die Struktur der Schalbretter bei den Zwischenwänden, die die einzelnen Gebäuderiegel begrenzen, diagonal verläuft, bei den Erschließungskernen horizontal und im Proberaum vertikal. Auch Teile der Innenwände wurden manuell aus Ziegelbeton ausgeführt – vor allem an den Schnittstellen der Durchgänge zu den benachbarten Gebäuderiegeln
Die höhlenartige Wirkung entsteht vor allem durch die unterschiedlich geneigten, dreieckigen und mindestens 12 cm dicken Betonplatten, die an einem Stahlgerüst vor den tragenden Wänden und Decken befestigt sind. Sie wurden einzeln aus Ziegelbruchstücken und selbstverdichtendem Beton vor Ort gefertigt. Um die erforderliche Passgenauigkeit zu erreichen, wurden sie etwas kleiner hergestellt als benötigt und die Abstände erst geschlossen, nachdem alle Elemente montiert waren.
Eine Besonderheit im großen Saal sind die abgehängten Akustikschalen, die zwar genauso aussehen wie die massiven Beton- und Ziegelsteinplatten, aber hohl sind, weil sie sonst zu schwer geworden wären. Für sie wurde ein Spritzbeton der Festigkeitsklasse C30/37 auf eine Grundkonstruktion aus Stahl aufgebracht und seine Oberfläche am nächsten Tag von Hand gestockt. Diese Elemente sind absenkbar, sodass die Nachhallzeit je nach Nutzung variiert werden kann. Die akustische Qualität des Saals, die durch die bearbeiteten Oberflächen bereits sehr hoch ist, konnte so noch verbessert werden: Beim Konzert eines Symphonieorchester kann die Nachhallzeit auf 1,85 Sekunden eingestellt werden, bei einer Theateraufführung lässt sich eine deutlich geringeren Nachhallzeit von nur 1,2 Sekunden erreichen. -chi
Bildnachweis: Jakub Certowicz und Malgorzata Replinska
Social Stream
Instagram
Linkedin
Youtube
Folgen Sie uns auf: