Peter Märkli, Zürich/CH
Stiftung La Congiunta, Giornico/CH
1992
Giornico, Tessin/CH
Massivbau
ungeheiztes und nicht isoliertes Gebäude, in sichtbar belassenem 25 cm starkem Ortbeton
Architekturpreis Beton Schweiz 1997
Wenn man den Gotthard-Tunnel von Norden aus kommend passiert hat, denkt man nicht gleich an zeitgenössische Architektur, zu düster und eng wirkt das Leventina-Tal. Aber es birgt einen architektonischen Kleinod: Im kleinen Ort Giornico steht ein von 1989 bis 1992 errichteteter Bau des Schweizer Architekten Peter Märkli.
Das Gebäude ist für die eigenwilligsten Arbeiten im Werk des Bildhauers Hans Josephsohn aus Zürich konzipiert: für seine Reliefs und Halbfiguren. Auf einem langen Landstreifen unweit des Bahnhofs, zwischen der höher gelegenen Bahnlinie im Westen, dem tiefer liegenden Fluss Tessin und der parallel verlaufenden Hauptstrasse, wurde ein schmaler Baukörper erstellt. Außen soll dieser schmucklos ganz nach innen verweisen. Keine Plastiken auf dem rohen, dunklen Beton sollen vorwegnehmen, was drinnen sich konzentrieren will. Einzig im Dachbereich ist in Bändern eine Lichtquelle angeordnet. Das Gebäude selbst gibt keinen Hinweis auf seinen Inhalt. Auch der Eingang erschließt sich erst, nachdem man es passiert hat. Es ist eine Institution ohne Infrastruktur, aber auch ohne die Zwänge des üblichen Museumsbetriebs. Der Besucher tritt durch die tagsüber offene Tür ein und befindet sich alleine im Raum mit der Kunst. Keine Einrichtung stört seine Konzentration. Es ist ein ungeheiztes und nicht isoliertes Gebäude, in sichtbar belassenem 25 cm starkem Ortbeton, wobei außen das Schalungsbild bestimmt wurde, innen nicht.
Der Plan ist longitudinal aufgebaut. Es ist eine Folge von drei Haupträumen mit konstanter Breite, aber verschiedenen Höhen, der letzte ist um vier Kammern erweitert. Die Gerichtetheit der Räume und ihre geringe Breite sollen die plastischen Werke in ihrer Reihung erlebbar machen. Der von außen eher abweisende Bau mit seinen fensterlosen Mauern aus Sichtbeton ist eine Verschmelzung längs gerichteter Quader unterschiedlicher Höhe.
La Congiunta – auf Italienisch die Vermählung – ist eine beeindruckende Idee, die Realität geworden ist. Die Stiftung mit demselben Namen umschreibt ihren Zweck lapidar: ein Grundstück kaufen – ein Haus bauen – Plastiken hineinstellen – am Tag die Tür offen lassen, damit wer will, eintreten und schauen kann. Ein Haus wurde geschaffen für Reliefs und Halbfiguren von Hans Josephsohn. Besonders beachtenswert ist die Homogenität der Gedanken, welche Ort, Objekt und Zweck sowie Material und Licht derart zu einer Einheit verschmelzen lässt und die das Bauwerk in die Nähe eines Gesamtkunstwerkes führen. Es sei besonders auf die ungewöhnlich bildhafte und mit dem Inhalt kohärente Anwendung des Baustoffes Beton hingewiesen. In seiner unverzierten Kargheit ist der Bau von jedem überflüssigen Detail befreit. Das ist nicht nur die Folge des einfachen Aufbaus einer unisolierten, unbeheizten Raumhülle. Durch die präzis durchdachte Reduktion auf das notwendige Minimum wird die Aufmerksamkeit auf jene Details gelenkt, die als Spuren des Denk- und Bauprozesses vermeintlich zufällig Zeichen hinterlassen. Das Bild der Schalungsfugen weist hin auf die Entstehungsgeschichte der Volumen und ihrer Beziehung zueinander wie zum Boden, aus dem sie wachsen. Die in die Wand eingeschnittenen Öffnungen als Zugang und als Verbindung der Raumfolge geben dem Eintreten und Übertreten eine symbolische Feierlichkeit. Das archaische Betongefäß verbindet sich mit der ursprünglichen Kraft der Skulpturen von Josephsohn in einer außerordentlichen Vermählung. Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt La Congiunta von Peter Märkli 1997 auch den Architekturpreis Beton der Schweiz.
Bildnachweis: opus C / glaeslephoto cologne
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