Beton.org Betonbau Architektur Objektdatenbank Museum Sowjetisches Speziallager Sachsenhausen in Oranienburg
Schneider + Schumacher, Frankfurt am Main
Finanzministerium des Landes Brandenburg, vetreten durch die Sonderbauleitung Neuruppin
Nadja Hellenthal (Projektleitung); Volker Kilian, Jörg Böttcher, Nicolas Schrabeck, Simone, Gunilla Klinkhammer, Simone Walser (Mitarbeit Architektur); Matthias Süß, Bollinger + Grohmann, Frankfurt am Main (Tragwerksplanung); Ingenieurbüro Brendel, Berlin (Haustechnik); Christian Jähnig, Berlin (Bauleitung)
2001
Oranienburg, Straße der Nationen 22
Architekturpreis Beton 2005
Es gibt Orte, wo Worte versagen, ihre Entstehung zu erklären, aber andererseits Worte und Gesten gebraucht werden, um ihr Zustandekommen zu begreifen. Der Sprachlosigkeit eine Form zu geben, ist Aufgabe der Gedenkstätten. Fast nahtlos wurde in Oranienburg nach 1954 aus dem KZ Sachsenhausen das spätere Sowjetische Speziallager, bis es 1951 geschlossen wurde. Hier wurden Menschen wie Du und Ich aus den fadenscheinigsten Gründen eingesperrt. Und es bedarf keiner Rechtfertigung, das Leiden der Häftlinge mit dem Leiden der Lagerinsassen davor gleichzusetzen. Massengräber hier wie dort zeugen von den gleichermaßen bitteren Folgen.
Es ist ein perfider Ort. Eine regelmäßige Anordnung von Wegen und Gebäuden, entwickelt aus halbkreisförmigen Segmenten, die strahlenförmig erweitert werden, gaukelt Übersichtlichkeit, Angemessenheit und eben Ordnung vor. Backsteine und Holzfachwerk erwecken den Anschein von Solidität und Bescheidenheit.
Hinter diesem tektonischen Raster verbarg sich eine wahnwitzige Vernichtungsmaschinerie, wie wir jetzt wissen.
Gedenktage zur Befreiung des Lagers, zu denen Besucher aus aller Welt anreisen, machen deutlich, dass auch zukünftige Generationen daran gemessen werden, wie die Erinnerung an die Täter wach gehalten wird. Dies geschieht heute mit den Verbänden der ehemaligen Opfer. Solche Anlässe zeigen, dass weltweit die Dokumentation der Folgen über die nationalen Grenzen hinweg Chancen bietet, die Sinne zu schärfen, um eine Wiederholung ähnlicher Gräueltaten auch anderen Orts zu verhindern. Das moralische Gewissen wird durch den Erhalt der Anlagen geschärft. Das Geschehen kann nun nicht mehr weggeredet werden.
Das Museum für das Sowjetische Speziallager ist der Versuch, nicht nur dokumentarisch mit der Vergangenheit umzugehen, sondern neben der Informationsvermittlung auch zur Refletion anzuregen. Die Lage außerhalb des Rasters und auch der spitzwinklige Zugang holen es aus dem Kontext. Die Dimension dagegen fügt sich in die Umgebung ein, ordnet sich ihr unter, um durch das Absenken des Fußbodens die Proportionen der angrenzenden Lagermauer und Steinbaracken zu respektieren.
Der eigentliche Ausstellungsraum des kleinen Gebäudes bleibt stützenfrei. Dadurch können unabhängig von konstruktiven Einschränkungen Konzeptionen zur Präsentation der Sammlung entwickelt werden.
Die Außenwände bestehen aus Stahlbetonfertigteilen, die kerngedämmt sind. Die äußere Haut wurde glatt geschalt und anschließend hydrophobiert. Im Gegensatz zur spiegelnden schwarzen Oberfläche draußen stehen die rauen, gesäuerten Betonoberflächen der Fertigteile innen.
Gewalzte, unbehandelte Stahlträger wurden auf Lücke gelegt und bilden die Dachkonstruktion. Die in geringem Abstand liegenden Träger erzeugen ein abwechslungsreiches Licht- und Schattenspiel. Die leicht gebogene Isolierverglasung verbreitet ein neutrales, diffuses Tageslicht.
Mit passenden Materialien und logischen Details wollten die Architekten „Ernsthaftigkeit, Komplexität, Spannung und Signifikanz“ erreichen. Zurückhaltung, so die Jury des Architekturpreises Beton, ist der wichtigste Charakterzug des Gebäudes.
Der Verzicht auf architektonische Extravaganz und vordergründige Symbolik komme, so die Jury, dem didaktischen Konzept zugute, den Zeitzeugen den Vorrang zu lassen.
Bildnachweis: BauBild Berlin/ Stephan Falk
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