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Neubau Rathaus Korbach

agn Niederberghaus & Partner GmbH, Ibbenbüren und Heimspiel Architekten Matzken Kampherbeek PartGmbB, Münster

Architektur

agn Niederberghaus & Partner GmbH, Ibbenbüren
und
Heimspiel Architekten Matzken Kampherbeek PartGmbB, Münster

Bauherr

Stadtverwaltung der Kreis- und Hansestadt Korbach

Projektbeteiligte

TGA-Fachplanung: Sweco GmbH, Bremen
Tragwerksplanung: EFG Beratende Ingenieure GmbH, Fuldabrück
Energieplanung: ibb Burrer & Deuring Ingenieurbüro GmbH, Ludwigsburg
Fassadenplanung: Hering Bau GmbH & Co. KG, Burbach
Sonstige Fachplanung: energum GmbH, Ibbenbüren; Bimolab gGmbH, Soest
Lichtplanung: INDI*LIGHT GbR, Brilon

Jahr

2022

Ort

34497 Korbach, Stechbahn 1

Konstruktionsmerkmale

Recyclingbeton als Sichtbeton

Besonderheiten

In der hessischen Stadt Korbach wurde das mittelalterliche Rathaus saniert, der Erweiterungsbau aus Beton zurückgebaut und daraus gewonnenes mineralisches Material beim Neubau direkt wiedereingesetzt werden. Damit wurde modellhaft gezeigt, wie beim Gebäudeabbruch anfallendes Material als sogenannte urbane Mine ressourcenschonend für Neubauten wiederverwendet werden kann.

Preise

Nominierung Deutscher Nachhaltigkeitspreis Architektur 2022
Architekturpreis Beton 2023 - Anerkennung

Beschreibung

Das neue Rathaus in der Kreis- und Hansestadt Korbach ist Pionier des Urban-Mining-Prinzips in Deutschland. Im Mai 2022 eröffnet setzt es neue Maßstäbe beim Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen für die Herstellung von R-Beton. Der Ursprungsbau des historischen Rathauses stammt aus dem Jahr 1377. Dieser gotische Bau, 1664 durch einen Brand zerstört und später wiederaufgebaut, wurde in den 1970er Jahren um einem mit Waschbetonplatten verkleideten Anbau erweitert. Als 2017 im Rahmen eines Architekturwettbewerbs entschieden worden war, den Anbau durch einen Neubau zu ersetzen, entwickelte Stefan Bublak, Architekt und Fachbereichsleiter Bauen und Umwelt der Stadt Korbach, die Idee, den alten Erweiterungsbau des Korbacher Rathauses als Rohstoffquelle, also als „urbane Mine“ für den Neubau des Rathauses zu nutzen.

Den Architekturwettbewerbs, an dem über 130 Büros teilgenommen hatten, konnten die Büros heimspiel architekten Matzken Kampherbeek PartGmbB mit Sitz in Münster gemeinsam mit Christian Thomann als Entwurfsverfasser von agn Niederberghaus und Partner aus Ibbenbüren für sich entscheiden. Für die Leistungsphasen 2–9 gründeten beide Büros die ARGE agn – heimspiel architekten. Die Architektinnen und Architekten griffen die von Stefan Burlak entwickelte Idee des Urban Mining auf und holten für die weitere Unterstützung Anja Rosen, damals Geschäftsführerin bei der agn-Tochter energum GmbH und unter anderem spezialisiert auf Nachhaltigkeit, mit ins Team. Ziel war die Realisierung des ersten Urban-Mining-Projekts in Deutschland.

Urban-Mining-Konzept für den Rathaus-Neubau

Anja Rosen, heute Geschäftsführerin der C5 GmbH in Münster, brachte aus ihrer Forschungstätigkeit zum Thema kreislaufgerechtes Bauen die entscheidenden Expertisen für den Rathaus-Neubau mit: Sie hatte Architektur an der Münster School of Architecture (MSA) studiert und war seit 2013 Lehrbeauftragte am Lehrstuhl Baukonstruktion/Entwurf/Materialkunde von Prof. Annette Hillebrandt an der Bergischen Universität Wuppertal. Anja Rosen entwickelte ein Urban-Mining-Konzept für den Rathaus-Neubau.

Grundgedanke dieses Konzepts war, den Bestand des alten Rathauses direkt für den Neubau zu verwerten. Das alte Gebäude aus den 1970er Jahren bestand zu ca. 95 % aus mineralischen Baustoffen, zum Großteil Beton, den es möglichst hochwertig zu recyceln galt. Dem entsprechend wurde zunächst untersucht, welche Voraussetzungen erfüllt werden mussten, um aus dem Altbeton rezyklierte Gesteinskörnung für neuen Beton herstellen zu können. Ein Novum insofern, als zwar seit Jahren mit Recyclingbeton gearbeitet wird, es bislang aber in Deutschland noch nicht den Fall gegeben hatte, dass ein Bestandsbau zurückgebaut und die daraus gewonnene rezyklierte Gesteinskörnung direkt für einen Neubau gleicher Funktion und an gleicher Stelle wiederverwendet wurde.

Der Entwurf für den Rathausneubau sah eine Ausführung in Stahlbeton und eine Fassade aus eingefärbten vorgehängten Betonfertigteilen vor. Dabei war es Wunsch der Architektinnen und Architekten, dass die Farbigkeit der neuen Fassade Bezug auf das historische Rathaus nimmt. Nach der Entwicklung des Urban Mining Indexes wurden alle Hauptbauteile noch einmal überprüft und den Normen entsprechend weiterentwickelt mit dem Ziel, nicht nur die Materialien des Altbaus in den Neubau zu überführen, sondern den Neubau selbst möglichst kreislaufgerecht und auch als künftiges Rohstofflager zu planen – also auf Verklebungen zu verzichten und Werkstoffe so zu fügen, dass sie später wieder möglichst sortenrein trennbar sind und kreislaufgerecht wiederverwertet werden können.

Beton

Nach außen hin erkennbar beeinflusst hat das Urban-Mining-Konzept die Gestaltung der Betonfertigteile für die Fassade. Ursprünglich waren eingefärbte Betonfertigteile geplant. Durch den Abbruch eines Nebengebäudes auf demselben Areal, dessen Dach mit roten Dachziegeln eingedeckt gewesen war, standen nun aber auch diese Ziegel als Recyclingmaterial zur Verfügung. So wurde die Idee entwickelt, auf die Einfärbung der Betonfertigteile zu verzichten und stattdessen die aus den Dachziegeln gewonnene rezyklierte Gesteinskörnung als rotfarbene Pigmente dem Recyclingbeton für die 260 Fassadenteile beizumischen. Auf diese Weise konnte der Kreislaufgedanke auch gestalterisch umgesetzt und von außen ablesbar gemacht werden.

Mit dem Urban Mining Konzept für das Rathaus Korbach konnten aus dem zurückgebauten Bestand 9.848 Tonnen mineralisches Material zurückgewonnen werden, 61%, also mehr als 6.000 Tonnen, wurden direkt im Neubau wiedereingesetzt. Rund 1.000 Tonnen wurden hochwertig recycelt und im Beton für Tragwerk und Fassade eingesetzt. Mit weiteren 5.000 Tonnen wurde die Baugrube gefüllt und das Planum hergestellt. Mehr als 3.800 Tonnen wurden darüber hinaus der externen Verwertung zugeführt. Der Recyclingbeton wurde für das Tragwerk des neuen Gebäudes – hier hauptsächlich für die Bodenplatte, Decken, Unterzüge und die erdberührten Außenwände – und die Fassadenelemente eingesetzt. Für diesen R-Beton wurden rezyklierte Gesteinskörnungen von 8 auf 22 mm verwendet.

Nach dem von Anja Rosen entwickelten Urban Mining Index kann die Effektivität von Urban Mining Projekten auch in ganz konkreten Kennzahlen ausgedrückt werden. Diese werden auch als Zirkularitätsrate bezeichnet. Die Zirkularitätsrate für das Rathaus Korbach liegt bei 42 %. Dieser Wert basiert zum einen auf dem Einsatz der rezyklierten Gesteinskörnungen für die Herstellung des R-Betons, zum anderen aber auch darauf, wie die beim Neubau eingesetzten Materialien in Zukunft erneut einsetzbar sind.

Eine Zulassung im Einzelfall für den eingesetzten Recyclingbeton war nicht erforderlich, da alle Vorgaben der entsprechenden DAfStb-Richtlinie, die einen maximalen Anteil von 45 % rezyklierter Gesteinskörnung vorschreibt, eingehalten wurden. Bis zu dieser Menge muss der zu verarbeitende R-Beton weder bei der Planung anders dimensioniert noch auf besondere Weise hergestellt werden. Feinanteile des Betonbruchs, deren Durchmesser kleiner als 2 mm sind, dürfen nach der DAfStb-Richtlinie, die bislang die Betonnorm DIN EN 206-1 / DIN 1045-2 ergänzte und jetzt in die neue DIN 1045-1000 mit aufgenommen wurde, durften nicht verarbeitet werden. Diese Rezyklate wurden für die Auffüllung der Fundamentlöcher verwendet.

Die Sichtbetonwände im Inneren des Gebäudes wurden mit konventionellem Beton erstellt. Grund dafür war, dass nicht genügend rezyklierte Gesteinskörnung aus dem Altbau zur Verfügung stand.

Quelle

Autor: Norbert Fiebig

Bildnachweis: Pläne: ARGE agn heimspielarchitekten

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