3deluxe, Wiesbaden
SBA Group
Rimantas Giedraitis (Bauleitung); Mind work ramps (Ausführung freie Betonformen); UAB korgas, Vilnius (Beleuchtung)
2020
Kaunas, Vienybės aikštė
Das Erbe der Sowjetzeit abschütteln – für Litauen war das in den letzten 30 Jahren in vielen Bereichen ein prägendes Motiv. Geradezu bildhaft dafür könnte die Neugestaltung des Platzes der Einheit in Kaunas stehen. Eine kaum genutzte Fläche mit rissigem Pflaster, die an einen Aufmarschplatz erinnerte, wandelte sich nach einem Entwurf des Büros 3deluxe aus Wiesbaden in einen von organischen Formen geprägten urbanen Ort, der zum Spielen einlädt.
Der Platz wird gesäumt vom historischen Bau des Museums für Militärgeschichte und einem bestehenden Verwaltungsgebäude der Bauherrschaft, gegenüber auf der anderen Straßenseite befinden sich Gebäude der Universität. Mit der Umgestaltung wurde die vierte Platzseite neu geschaffen: Hier befindet sich nun ein ebenfalls von der SBA Group finanziertes Coworking-Zentrum mit vermietbaren Büros und Konferenzräumen.
Der Platz soll dem Stadtviertel einen Mehrwert bieten, aber auch die gewünschte Klientel für den Coworking-Bau anlocken – Start-Ups, die auf der Suche nach Arbeitsräumen sind. Ob die Verspieltheit von Gründerinnen und talentierten Jungunternehmern ein Klischee ist oder nicht, der Platz dürfte bei einer großen Bevölkerungsschicht auf Zustimmung stoßen. Stellenweise wirkt er wie eine Bühne, doch er lädt auf vielfältige Weise zum unbefangenen Toben, aber auch zum geruhsamen Zuschauen – oder Wegschauen – ein.
Statt einer einzigen Fläche gibt es unterschiedliche Zonen. Direkt an der Straße ist ein interaktives Wasserspiel mit zahlreichen Fontänen zu finden; entlang des Coworking-Zentrums sind Freiflächen für Gastronomie angeordnet. Die aufwendigste Gestaltung erfuhr der höher gelegene Bereich vor dem bestehenden Verwaltungsgebäude, der sich nun als eine von geschwungenen Formen, Treppen und Inseln geformte Landschaft präsentiert.
Auf Rollen, Rädern und zu Wasser
Für Planschfans ist der als Flussabschnitt gestaltete Spielplatz gedacht, der die nordöstliche Ecke prägt. Eine geneigte Fläche und mehrere Stufen, die für kleine Wasserfälle sorgen, beleben das Becken. Im Nordwesten hingegen sitzt ein Bereich, der so gestaltet wurde, dass er als Skatepark genutzt werden kann. Grüne Inseln mit Sitzgelegenheiten werden dort von geschwungenen Bauteilen begrenzt, die als Quarter- und Halfpipes genutzt werden können. Auch die Rampen zur niedrigeren Platzfläche dienen Skate- und BMX-Begeisterten als Spielwiese.
Daneben laden streifenartig belegte Flächen, die an Sonnendecks erinnern, zum Verweilen ein – um die Kinder im kühlen Nass im Auge zu behalten, aber auch abseits davon inmitten der grünen Inseln, die den Platz auflockern. Inmitten der Stadt ist ein Ort entstanden, der durch seine vielfältigen Angebote das Leben magisch anzieht.
Quarterpipes in Handarbeit
Die Begrenzung der inselartigen Bereiche der oberen Platzfläche erfolgte teilweise durch geschwungene Sichtbetonbauteile. Sie wurden in Ortbeton ausgeführt und vom lettischen Unternehmen Mind Work Ramps modelliert, das Skateparks plant und umsetzt.
Um die hölzernen Schalungselemente und schablonenartigen Hilfskonstruktionen für die Betonage präzise mittels CNC fertigen zu können, war zunächst die Zusammenführung der Designdaten und der Höhenentwicklung des Platzes in einer Datei nötig.
Innenleben aus Styropor und Kunststoff
Statt Erde wurden als Unterkonstruktion in Form geschnittene Styroporblöcke eingebracht. Damit konnte das auf die darunter liegende Tiefgarage einwirkende Gewicht reduziert werden. Bei der Bewehrung setzte das Planungsteam auf das Material Kunststoff, um eine Korrosion des Betons zu vermeiden.
Eine der großen Herausforderungen bei der Betonage war das Sommerwetter, das dafür sorgte, dass der verwendete helle Beton noch schneller erstarrte als vorgesehen. Die Bauteile mussten innerhalb von nur vier bis fünf Stunden gegossen und per Hand in die geschwungene Form gebracht werden. Dabei hatte das Ausführungsteam stets darauf zu achten, dass die bereits abgezogenen Betonflächen nicht doch noch ihre Form änderten.
Schalung und hölzerne Hilfskonstruktion wurden nach dem Erstarren entfernt. Nach dem vollständigen Aushärten ließ man die Fugen abdichten und auf die Sichtbetonflächen eine Versiegelung aus Lithiumwasserglas aufbringen. -chi
Bildnachweis: Sascha Jahnke / 3deluxe, Wiesbaden
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