Beton.org Betonbau Architektur Objektdatenbank Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen in Hall
Franz&Sue, Wien; Mitarbeiter: Corinna Toell (Projektleitung), Joseph Suntinger, Wolfgang Fischer, Theresa Wauer, Susann Murtezani, Diana Nemeth, Eveline Leichtfried
Land Tirol, Abteilung Hochbau
Petz zt, Wien (Tragwerksplaner); Schöberl & Pöll, Wien (Bauphysik); Jung Ingenieure, Wien (Thermische Bausimulation); DI Dieter Schwaninger, HG Engineering; Innsbruck (Gebäudetechnik); Pokorny Lichtarchitektur, Wien (Lichtplanung); Idealice, Wien (Landschaftsarchitektur); Lichtwitz Leinfellner visuelle Kultur, Wien (Leitsystem); Prevart, Winterthur (Museumsplanung); Reinhard Eder Blechbau, Völkermarkt (Fassade); Rieder, Maishofen (Fassadenelemente aus Glasfaserbeton)
2017
6060 Hall in Tirol, Krajnc-Straße 1
Die schlichte, dunkle Kiste am Ortsrand von Hall mag auf den ersten Blick wie ein Gewerbebau wirken, tatsächlich handelt es sich eher um eine Schatztruhe. Im Inneren des Sammlungs- und Forschungszentrums lagern die naturwissenschaftlichen und kunsthistorischen Bestände der Tiroler Landesmuseen, außerdem das Depot der Infanterieregimenter der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, der sogenannten Kaiserjäger. Dazu kommen Büros, Ateliers und Werkstätten für Wissenschaftler und andere Mitarbeiter.
Das nach Plänen des Architekturbüros Franz & Sue auf einem landeseigenen Grundstück errichtete Gebäude besitzt einen einfachen, aber raffinierten Grundriss: Die Lager legen sich u-förmig um einen Kern, in dem die Arbeits- und Atelierräume untergebracht sind. Zwischen den beiden Zonen befindet sich ein ringförmiger Erschließungsflur, dessen Innenecken aufgrund der beträchtlichen Abmessungen eines Exponats abgerundet wurden. An der Westseite grenzt der Flur an die Gebäudehülle, wo sich 15 quadratische Fenster mit Klappläden befinden. Neben der rückseitig in leuchtendem Rot gestalteten Doppelflügeltür des Eingangs bilden sie die einzigen von außen sichtbaren Öffnungen des Baukörpers. Für die natürliche Belichtung der Büros sorgt ein Innenhof, der als Gegenpol zur geschlossen und hart wirkenden Hülle des Gebäudes mit großen Fensterflächen und einer vertikalen Holztäfelung ausgestattet ist.
Während im Hof die Fassaden drei Geschosse hoch sind, schiebt sich der Bau in seiner Außenansicht nur bis zu einer Höhe von kaum zwei Metern aus dem Gelände. Erst der Gebäudeschnitt zeigt, dass zwei Drittel des Sammlungs- und Forschungszentrums unter der Oberfläche angelegt sind. Auf diese Weise ließ sich vor allem in dem 7.800 Quadratmeter großen Depot mit nur wenig zusätzlicher Technik ein konstantes, für die eingelagerten Objekte ideales Raumklima herstellen.
Dunkelgraue, glasfaserverstärkte Betonplatten in einer Größe von 60 x 60 Zentimetern prägen die hermetische Erscheinung des Gebäudes. Der Farbton wurde durch die Zugabe natürlicher Pigmente erreicht, wobei leichte Nuancen in der Schattierung beabsichtigt waren, um der Fassade eine größere Lebendigkeit zu verleihen. Die über 700 Elemente wurden teilweise mit einem erhöhten Relief versehen, dessen Form einem der ältesten Stücke der Sammlung nachempfunden ist: einem Faustkeil aus dem 7. bis 8. Jahrhundert.
Für der Herstellung der Platten wurde der industrielle Prozess um eine handwerkliche Komponente ergänzt: Auf dem Produktionstisch befestigte man ein nach dem Vorbild des Faustkeils gefertigtes Positiv aus extrudiertem Polystyrol, über das die Faserbetonmasse gegossen wurde. Aufgrund ihrer zähen Konsistenz floss sie nicht von der Form, sondern erstarrte bei einer beinahe konstanten Stärke von 13 Millimetern. Nach dem Austrocknen und Schneiden der Platten ließ sich das Schalungselement zerstörungsfrei entfernen, sodass es wiederverwendet werden konnte; innen blieben die Erhebungen hohl. Die jeweils etwas unterschiedliche Verteilung der Betonmasse über der Form macht jedes Fassadenelement zu einem Unikat. Mit der unregelmäßigen Aneinanderreihung von glatten und geprägten Platten lesen sie sich zudem wie eine Karte, auf der die Fundorte der archäologischen Sammlungsstücke verzeichnet sind.
Für den Rohbau des Gebäudes wurde ein B4-Beton gemäß ÖNORM B 4710-1 Beton - Teil 1: Festlegung, Herstellung, Verwendung und Konformitätsnachweis verwendet, der für wasserundurchlässige Bauteile über zehn Meter Wasserdruck empfohlen ist. Bei der Rezeptur war es wichtig, eine Mischung zu finden, die zum Austrocknen möglichst wenig Zeit benötigt – konstante klimatische Bedingungen mussten bereits beim Einzug des wertvollen Lagerguts gewährleistet sein.
Mit Holzwerkstoffplatten bestückte Stahlrahmenschalungen dienten der Oberflächengestaltung der Sichtbetonflächen im Gebäudeinneren. Für die als Tiefrelief gestalteten Stockwerksbezeichnungen im Treppenhaus wurden Positive aus extrudiertem Polystyrol auf die Schalung aufgenagelt. Nach dem Ausschalen und Trocken des Betons wurden die tiefliegenden Flächen der ausgesparten Zahlen mit Druckluftmeißeln gestockt. -chi
Bildnachweis: Franz&Sue / Andreas Buchberger, Wien und Christian Flatscher, Innsbruck
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