Beton.org Betonbau Architektur Objektdatenbank Sanierung und Anbau einer Kasernen-Sporthalle in Pfullendorf
Schneider–Neudeck, freie Architekten BDA , Biberach
Bundesministerium für Verteidigung, vertreten durch Staatliches Hochbauamt Ulm
Ing. Büro für Statik Leven, Sigmaringen (Statik); HM-Betonfertigteilwerk Hans Mauthe GmbH & Co. KG, Aitrach (Betonfertigteile)
2006
Pfullendorf/Baden
Stahlbetonskelettbau
Das Gelände der General-Oberst-von-Fritsch-Kaserne erstreckt sich auf einer leichten Anhöhe am südlichen Stadtrand im schwäbischen Pfullendorf. An zwei gebogenen Erschließungsachsen, die sich am Ende zur Ellipse schließen, liegen tangential aufgereiht die Unterkunftsgebäude auf der einen Seite und Funktions- und Versorgungsgebäude auf der anderen Seite. Den Endpunkt bilden die beiden Sporthallen, von denen eine in früheren Jahren bereits zum Seminargebäude umfunktioniert worden ist. Die nun neu umgebaute Halle bildet die Fortsetzung der Unterkunftsgebäude. Ein Aufmarschplatz bildet die Platzsituation für eine lose Reihung von Gebäuden unterschiedlichster, übergeordneter Nutzungen.
Hier eingereiht in eine offene, wenig städtebauliche Bebauung, entschlossen sich die Architekten Schneider-Neudeck aus Biberach, die Baumaßnahme als solche zum Anlass für eine Geste über den Platz hinaus, für das gesamte Kasernengelände zu nutzen. Es handelt sich um die einzige verbliebene Sporthalle der Kaserne.
Das neue Gebäude ist eine formal expressive Komposition und ist aus den Komponenten des örtlich Vorgefunden entwickelt. Der einfache massige Kubus der bestehenden Halle erhielt zum Platz einen vorgesetzten Anbau aus Kopf- und Rumpfgebäude. Über die Diagonale hinaus schiebt sich dieser Kopfbau als vorgezogene Vitrine in den Platzbereich. Als Kraftraum ist diese zweiseitig, bis auf den Boden verglast, trägt das innere Geschehen nach außen und öffnet das Gebäude mit dieser großzügigen Geste. Gleich dahinter liegt ganz selbstverständlich als Fuge zum Nebenraumtrakt der Eingang. Kraftraum, Nebenraumtrakt und gefaltetes Dach bilden eine starke 3-er Komposition. Durch die Oberlichtverglasung der Nebenräume hebt sich das gefaltete Dach von den tragenden Wandschotten ab und schwebt. Hinter der langen Wand reihen sich die Umkleiden parallel zur bestehenden Halle. Dieses Rumpfgebäude rechts vom Eingang, ist nach außen mit gestreiften Betonfertigteilen in enormen Formaten, verkleidet. Gut ablesbar verdeutlicht diese auffällige Musterung den solitären Charakter des Gebäudes. Die Farben Anthrazit und Koralle stehen für die Synthese aus Bestehendem und Neuem. Das Rot der gesamten Unterkunftsgebäude ist hergeleitet aus deren ursprünglichen Verklinkerung. Die Reduzierung der äußeren Farbgestaltung auf diese beiden Töne, integriert die neue Halle in das gesamte Ensemble der Kaserne. Die Streifen führen alt und neu zusammen und versinnbildlichen Innovation.
Das Einfärben der Betonfertigteilwandelemente geschah dabei mit einem besonderen Verfahren. Für die Herstellung der Fassadenplatten in „Zebra-Optik“ erwies sich das Betonfertigteilwerk Mauthe als kreativer Partner. Zunächst war es erforderlich, eine Fertigungstechnik zu entwickeln, die eine zielgerichtete Herstellung der ästhetisch und technisch sehr anspruchsvollen Fassadenplatten ermöglichte. Man entschied sich für die Anwendung eines „Nass-in-Nass“-Verfahrens, das mehrere Fertigungsgänge erfordert. Um die gewünschte Farbgebung Koralle/Anthrazit zu erreichen, wurden Versuche mit roten und schwarzen Farbpigmenten durchgeführt. Die Größe und Scharfkantigkeit der Elemente stellte das Fingerspitzengefühl des Fertigteilherstellers immer wieder auf die Probe, denn Beschädigungen würden die Optik empfindlich stören und waren unbedingt zu vermeiden. Aussparungen für Türen und Lüftungen erforderten ebenfalls größte Sorgfalt. Die Aussparungskörper wurden daher mittels Silikon auf die Schalung aufgebracht, um das „Ausbluten" des Betons zu verhindern. Bei der Positionierung der Bewehrungskörbe in der Schalung, ebenso wie der Lagerung und Versendung der fertigen Platten, sollten keinerlei Abdrücke von Abstandshaltern oder sonstigen Befestigungsmitteln die perfekte Oberfläche der Fassadenplatten stören. Mit sehr viel Liebe zum Detail und technischer, wie handwerklicher Perfektion wurde die vom Auftraggeber erwartete Ausführungsqualität erreicht.
Als „Typenhalle“ U1, zigfach in den Sechziger Jahren bundesweit erstellt, entsprach die Sporthalle in Pfullingen nicht mehr heutigen Standards, zumal es sich bei der GOF-Kaserne um eine Ausbildungsstätte internationaler Staaten handelt. Von hier kommen die Sondereinheiten für Einsätze der UNO und Soldaten aus allen NATO-Staaten zur Ausbildung nach Pfullendorf. Mit diesem internationalen Fokus ausgestattet, sahen es die Architekten als ein Interesse aller, dieser einzig verbliebenen Halle auch ein internationales Corporate Identity zu verleihen. Der Korpus der Halle blieb im Rohbau erhalten, ein Anbau mit den Nutzungen: Kraftraum, Sanitärräume, Geräteräume, Nebenund Technikräume sollten das Gesamte auf heutigen Neubaustand bringen. Ein katalogähnliches Werk, mit dem Namen „Musterplanung“ beschreibt bis ins Detail genau, was es heißt in der Bundeswehr genormt zu bauen. Die vorhandene Substanz besteht aus einem Stahlbetonskelettbau, mit vorgespannten Betonbindern und Ausfachungen aus Betonfertigteilen. Der Anbau wurde aus Ortbetonwänden, tragenden KSV-Wandschotten und Ortbetondecken ausgeführt. In der Fuge, zwischen der Halle und den Umkleideräumen, wurde das Dach des Flurbereiches, der Technik und der Geräteräume tiefer gelegt, um das Anschließen an den Bestand unter Beibehalten des Oberlichtbandes der Halle, zu ermöglichen. So transparentund dominant sich der Kraftraum hinter der eleganten Edelstahlgaze präsentiert, so geschlossen und asketisch sind die Räume wie Technik und Geräte selbstbewusst hinter der Zebrawand untergebracht. Die restlichen Wände oberhalb dieser Höhe wurden konsequent als Ganzglasoberlicht ausgebildet und lassen das Dach schweben.
Bildnachweis: Schneider–Neudeck, freie Architekten BDA, Biberach
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