msah: m.schneider a. hillebrandt architektur, Köln
Bistum Münster
Arno Schleicher, Martin Ellerbrok, Jan Jermer, Daniel Goldner, Susanne Kreimeyer (Mitarbeit Planung); IFS Partnerschaftsgesellschaft Prof. Manfred Feyerabend, Dipl.-Ing. Manfred Schüller, Hürth (Tragewerksplanung); August Gründker Bauunternehmer und Bedachungen GmbH, Glandorf (Rohbau); Deutsche Doka Schalungstechnik GmbH, NL Osnabrück (Schalungstechnik)
2011
Warendorf
Massivbau
Sichtbeton Klasse SB3 mit hohen gestalterischen Anforderungen
Ein Schulbau aus den 1970er Jahren erhielt durch einen lichten Neubau mehr als zusätzliche Klassen- und Aufenthaltsräume: Mit hellem Sichtbeton umfassten die Kölner Architekten msah: m. schneider a. hillebrandt architektur die Erweiterung und werteten mit dem neuen lichtdurchfluteten Foyer gleichzeitig auch den Bestand auf.
Der Neubau der Johann-Heinrich-Schmülling Realschule geht auf einen gewonnenen Wettbewerb aus dem Jahr 2001 zurück. Die Planung sah zunächst den Ersatz von nicht mehr zulässigen Pavillonbauten durch einen Erweiterungsbau mit elf Klassen-räumen und einer Biblio-Mediathek als Selbstlernzentrum vor. In weiteren Bauabschnitten sollen die Sanierung des Altbaus, die Einfassung des gesamten Schulgeländes sowie neue Außensportanlagen plus Turnhalle und neue Umzugs- und Sanitärräume erfolgen. „Mäander – Erweiterung einer Realschule“ nannten die Kölner Architekten ihr Projekt, und formulierten mit dem Arbeitstitel auch ihre Entwurfsidee:
„Alt- und Neubau werden samt Außenanlagen durch ein mäandrierendes weißes Betonband gestalterisch und identitätsstiftend sowie funktional zusammengefasst. Das Mäanderband ist ordnende und raumbildende Struktur - auf, an und unter ihm finden die verschiedenen Aktivitäten statt“, erläutert Annette Hillebrandt ihren Gedanken. „Es bildet die offene, großzügige Geste für den neuen Haupteingang, wird im weiteren Verlauf zum Dach des Neubaus, dient im südwestlichen Bereich als Einfassung der Sportplätze und bewegt sich letztendlich über das Dach der zu ergänzenden Sporthalle.“ Im Sinne der Architekten ermöglicht das weiße Band aus Sichtbeton durch das Loslösen von den funktional notwendigen Räumlichkeiten neben dem ordnenden Charakter auch poetische, "unantastbare" Zwischenräume. Hinter der straßenseitigen Fassade des Erweiterungsbaus aus Stahlbeton sind helle Klassenräume angeordnet. Ihre großen südorientierten Glasflächen haben die Architekten mit einem vorgelagerten starren Sonnenschutz, einem Vorhang aus tiefen Aluminium-Lamellen effektiv und „low-tec“ verschattet. Geschlossene Flächen sind mit großformatigen Tafeln aus Faserzement bekleidet, die dem weißen Sichtbeton ebenfalls ein elegantes Pendant bieten.
Sichtbetonbau mit klaren Vorgaben
Der weiße Sichtbetonbau entstand nach präzisen Vorgaben seitens der Architekten. Betonrezeptur, Art und Position der Spannlöcher, Fugenverlauf und Abstand und vor allem die gewünschte Qualität der Sichtbetonflächen wurden exakt vorgegeben. Das war besonders wichtig, weil der Bauherr Unternehmen aus der Region beauftragen wollte, mit denen er in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht hatte. Das Bauunternehmen der Wahl hatte allerdings keinerlei Erfahrungen mit der Ausführung von Sichtbetonflächen, die bei diesem Bauvorhaben an der Fassade und im Innenbereich wesentlicher Bestandteil des Architekturkonzeptes sind.
Zunächst hatten die Architekten vor, die weißen Betonwände mit verzinkter Bewehrung ausführen zu lassen. Dies konnte aus Kostengründen nicht realisiert werden. Gleichwohl glückten, aufgrund der genauen Angaben der Planer und der präzisen und sorgfältigen Arbeit des Rohbauers, die unverputzten Fassaden- und Wandflächen in Sichtbetonqualität SB3 genau nach Vorstellung der Architekten.
Bei den Anforderungen an den Sichtbeton folgten die Kölner Architekten dem Merkblatt Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V. und schrieben einen Sichtbeton Klasse SB3 mit hohen gestalterischen Anforderungen aus. Zwei Musterbauteile und vier Farbmuster, ausgeführt mit einem Beton mit Weißzement, näherten den gewünschten Farbton „cremeweiß“ präzise an. Vorgabe war auch, dass bei der Betonherstellung kein Restbeton und kein Restwasser verwendet werden durften, um Farbveränderungen zu verhindern. Außerdem musste immer die gleiche Rezeptur aus demselben Betonwerk geliefert und der Beton auch während des Transportes und beim Einbau unter weitestgehend gleichen Bedingungen gebracht und eingebaut werden. Um Farbabweichungen zu vermeiden, mussten die 7,40 Meter hohen Wände pro Betonierabschnitt auch jeweils an einem Tag hochgezogen werden. Außerdem sollten die Rohbauer die Fallhöhe minimieren um Entmischungen zu vermeiden. Last not least wurde auch die Sieblinie auf die von den Architekten gewünschte Scharfkantigkeit der Ecken abgestimmt.
Auf diese Weise erreichten die Architekten, dass der Bau kein nachträgliches Spachteln und keine Kosmetik verlangte. Ein späterer Anstrich der weißen Sichtbetonflächen war seitens der Planer ausdrücklich untersagt.
Das Aussehen von Sichtbetonflächen wird auch durch die Wahl der Schaltechnik, der Abstandtechnik und der Rohrspreiztechnik bestimmt. In Warendorf sorgten äußerst glatte und vor dem Einsatz gesäuberte Schaltafeln für sehr glatte Oberflächen. Nach einem mit msah Architekten abgestimmten Schalungsmusterplan wurden die Schaltafelstöße im Verband angeordnet und alle Stöße in der Fläche abgedichtet. Aufgrund der thermischen Spannungen des sehr langen Gebäudes wollte der Bauunternehmer starke Fugen einbauen. Durch einen Kunstgriff gelang es, die Fugen doch, wie gewünscht, schmäler auszuführen. Mittels gequollener MDF-Platten, die bis zum Ausschalungszeitpunkt schrumpften und dadurch wieder entnommen werden konnten, wurden optisch schmale Fugen ausgeführt, die anschließend mit Kompriband und gesandetem Silikon unauffällig geschlossen wurden. Abschließend wurden die in einem regelmäßigen Raster eingebauten Schalungsanker mit Sichtbetonstopfen aus Faserzement im gleichen Farbton verschlossen. Besonders wichtig war, während des laufenden Baustellenbetriebs die bereits fertiggestellten Sichtbetonflächen vor Verschmutzung zu schützen.
Ästhetische Einheit
Die durchdachte, klare Gestaltung des Erweiterungsbaus setzt sich auch im Inneren des neuen Schulgebäudes fort. Im lichten Foyer, das nun auch dem Altbau als großzügige Erschließung dient, in den Fluren und im Innern der Klassenzimmer wechseln sich helle Sichtbetonflächen an Decken und Wänden mit großen, unsichtbar befestigten Tafeln aus Faserzement ab. Die Klassenräume, die Rücken an Rücken im Bau liegen, sind zum Süden hin bodentief verglast. Ihre Pfosten-Riegelvergasung mit den tiefen Regalmöbeln vor den Fenstern ist teilweise statisch relevant und kann als Ablage von den Schülern genutzt werden.
Alle Installationen, wie Beleuchtung, Schalter, Bewegungsmelder und Feuerlöscher, sind in die Wände integriert und verstärken den ästhetisch anspruchsvollen Eindruck, bei gleichzeitig hoher Wertbeständigkeit der wartungsfreien Oberflächen. In den schwimmenden Estrich mit Betonwerksteinplatten oder massivem Eiche-Hochkantlamellenparkett wurde eine Fußbodenheizung integriert. Sie könnte als Niedrigtemperaturheizung bei der weiteren Sanierung des Altbaus und einer Umstellung auf regenerative Energien einfach nachgerüstet werden.
Mit hellen Sichtbetonflächen geben die Architekten M. Schneider und A. Hillebrandt aus Köln der Schulerweiterung in Warendorf ein charakteristisches Erscheinungsbild. Mit ihrem gefalteten Betonband, den massiven Giebelflächen und dem doppelgeschossigen Foyer entwickelten sie eine Architektursprache, die den Weiterbau und die Sanierung des Bestandes schon im Blick hat. Die nachhaltige und dauerhafte Betonbauweise entspricht allen Anforderungen an öffentliche Bauten bei gleichzeitig hoher gestalterischer Qualität.
Bildnachweis: Christian Richters
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