Barkow Leibinger, Berlin
CA Immo Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
GuD Planungsgesellschaft für Ingenieurbau, Berlin (Tragwerksplaner); Fürstenau & Partner Ingenieurgesellschaft, Berlin (Haustechnik); Müller-BBM, Berlin (Akustik, Bauphysik, Schallschutz); Priedermann, Berlin (Fassadenberatung), Ed. Züblin, Stuttgart (Rohbau), FKN Fassadentechnik, Neuenstein (Fassadenbau); Dreßler Bau, Stockstadt (Betonfertigteile); Westag und Getalit, Rheda-Wiedenbrück (Schalung); Dyckerhoff, Wiesbaden (Weißzement)
2012
Berlin, Heidestraße, Ecke Minna-Cauer-Straße
Architekturpreis Beton 2014
Noch ist das Areal nördlich des Berliner Hauptbahnhofs eine öde Brachfläche, die alles andere ist als einladend. Das soll sich im Laufe der nächsten Jahre jedoch grundlegend ändern. Auf dem 40 Hektar großen Gelände ist die Europacity geplant, ein neues Stadtquartier mit einer Mischnutzung aus Wohnen, Büros, Gewerbe und Kunst. Wenn alles fertig ist, sollen hier rund 2.000 Menschen leben und Büros für über 10.000 Arbeitsplätze entstanden sein. Das erste Haus steht bereits. Es ist der Tour Total, ein Hochhaus nach Plänen von Barkow Leibinger Architekten an der Heidestraße Ecke Minna-Cauer-Straße, das die Deutschlandzentrale des gleichnamigen französischen Mineralölkonzerns beherbergt.
Mit einer Höhe von 68 Metern markiert der strahlend weiße Neubau den Auftakt zum neuen Quartier. Er besitzt eine Bruttogeschossfläche von knapp 18.000 m², die sich auf 16 Obergeschosse und ein Technikgeschoss verteilen, einschließlich der drei Untergeschosse mit Tiefgarage sind es 28.000 m². Über einem zweigeschossigen Sockel erhebt sich der schmal längliche Büroturm mit einem leichten Knick in der Längsfassade. Seine Stirnseite ist nach Norden frontal auf den zukünftig gegenüberliegenden Platz ausgerichtet. Kolonnaden im Sockelgeschoss entlang der Nordfassade und vor dem Haupteingang an der südwestlichen Ecke verankern das Gebäude im Stadtraum und vermitteln zwischen Innen- und Außenraum. An den anderen Fassaden sind die Stützen als Lisenen ausgebildet.
Nach oben hin betont ein Raster aus hellen Betonfertigteilen die Vertikalität des Baukörpers. Was aus der Ferne immer gleich aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein raffiniertes Spiel von Formen und Geometrien. Das haben die Architekten nicht durch den Einsatz unterschiedlicher Elementgrößen oder Module erreicht, sondern durch leichte Variationen in der Ausführung und Anordnung der vorgehängten Fertigteile. Als Grundtypus entwickelten sie ein K-förmiges Modul mit einem diagonal verlaufenden Grat, dessen Tiefe um bis zu 20,5 cm variiert. Es setzt sich zwei 40 cm breiten Elementen zusammen, die mit einer Höhe von 7,35 m jeweils über zwei Geschosse reichen. Durch die gespiegelte und seitlich zueinander versetzte Positionierung der K-Module ist ein bewegter Linienverlauf entstanden, welcher der Fassade Plastizität und Tiefe verleiht.
Im Inneren des Hochhauses gruppieren sich um einen Erschließungskern mit Aufzügen und Treppen im Erdgeschoss die Lobby, Nebenräume und ein Bistro, in den oberen Etagen die gut belichteten und belüfteten Büroräume. Nebenräume und Sanitäranlagen sind in der Mittelzone untergebracht.
Das Gebäude gründet auf der dreigeschossigen Tiefgarage, deren 25 cm hohe Flachdecken ebenso aus Ortbeton bestehen wie die Umfassungsmauern und tragenden Wände im Büroturm. Das Untergeschoss erstreckt sich über die vierfache Gebäudebreite nach Westen hin, wo in einem zweiten Bauabschnitt ein weiteres Gebäude geplant ist.
Die rund 10.000 m² der Fassade sind mit insgesamt 1.395 dreidimensionalen, teilweise sehr filigranen Betonfertigteilen bedeckt, die in rund 200 verschiedenen Ausführungen zum Einsatz kamen. Wegen der Maßgenauigkeit mussten viele der teils auf Null zulaufenden Formen mit der Handkreissäge aus den Schalungsplatten zugeschnitten werden. Zum Einsatz kamen fünfschichtige Stäbchensperrholzplatten mit Filmbeschichtung, die eine hohe Oberflächenqualität des Sichtbetons gewährleisteten. Da das Fugenbild eine maximale Abweichung von höchstens 1,5 mm erlaubte, lagen die Fertigungstoleranzen der Schalelemente im Bereich von unter 3 mm. Die Betonfertigteile bestehen aus Weißzement, also einem sehr eisenarmen Portlandzement, und einer Gesteinskörnung aus Marmor. Das Einbringen und anschließende Verdichten erfolgte mit Tisch- und Flaschenrüttlern, aber wegen der teils extremen Geometrien per Kelle in Handarbeit. Zum Schluss wurden die Betonoberflächen gesäuert und hydrophobiert.
Aber nicht nur die Herstellung der Betonteile war eine Herausforderung, auch die Montage gestaltete sich aufwendig. Jedes Fertigteil wurde auf Fixierungszapfen des darunterliegenden Elementes aufgesteckt. Die Befestigung nach hinten erfolgte über einen Schrägzuganker am oberen Ende. Zur Vermeidung von Schmutzbildung sind die Oberkanten der Brüstungsbänder nach hinten geneigt ausgebildet und führen das Wasser rückseitig ab. Die offenen Fugen wurden dauerelastisch besandet und in der Farbe der Fertigteile nachbehandelt. Auf der Innenseite bildet eine zweite Ebene von Fertigteilen den raumseitigen Abschluss. Dort sind die ebenfalls hellen Betonstützen im Format 40 x 25 cm jedoch alle rechtwinklig geformt.
Die Fensterelemente mit öffnungsbegrenzter Dreischeiben-Isolierverglasung sind in Aluminiumprofilen gerahmt. Der Sonnenschutz ist über außen liegende Jalousienanlagen geregelt. Durch das ausgewogene Verhältnis von Wandflächen zu Fenstern, dem Sonnenschutz, der Verglasung und effektiver Energierückgewinnung konnte eine DGNB-Zertifizierung in Silber erreicht werden.
Bildnachweis: Corinne Rose für Barkow Leibinger, Berlin
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