Hild und K Architekten, München (Entwurf: Andreas Hild, Dionys Ottl, Matthias Haber; Projektleitung: Henrik Thomä)
Stadtwerke München
BM.C Baumanagement, München (Bauleitung); Mayr Ludescher Partner Beratende Ingenieure, München (Tragwerksplanung); Climaplan Ingenieure für Versorgungstechnik, München (Haustechnik und Elektrotechnik); Lohrer Hochrein, München (Freiflächenplanung); K33 Brandschutz, Steinlehner Riedner Wagner, Architekten Partnerschaft, München (Brandschutz); Müller BBM, Planegg (Bauphysik); Pfeiffer Baugesellschaft, Rosenheim (Rohbau / Baumeisterarbeiten)
2017
80801 München, Arcisstraße 74
An dem neuen Gebäude in der Münchner Arcisstraße bleibt der Blick der Passanten länger haften: Zu auffällig sind die Widersprüche des monolithisch wirkenden, kantigen Betonbaus mit Zinnen. Riesige Tore und Fenstergitter aus Kupfer verstärken den Eindruck einer modernen Festung. Das Logo der Stadtwerke München schließlich bietet einen Hinweis auf die technische Nutzung hinter der Fassade. Geplant wurde das Umspannwerk Schwabing von Hild und K Architekten, deren zweckgebundene Ornamente schon fast ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Architekturszene sind.
Der Neubau ersetzt das alte Umspannwerk auf demselben Grundstück. Der technische Fortschritt ermöglichte ein deutlich kleineres Werk – auf diese Weise wurden Flächen für Wohnungen und Büros frei, die derzeit nach einem Wettbewerbsentwurf von Bruno Fioretti Marquez Architekten errichtet werden. Das Umspannwerk an einer leichten Straßenbiegung zeugt von hohem Gestaltungsanspruch. Gegliedert wird der rohe Betonbau von drei großen, in die Kubatur zurückversetzten Toren. Dahinter verrichten drei Transformatoren in getrennten Kammern ihre Arbeit. Dabei entsteht viel Wärme, die abgeleitet werden muss. Dies geschieht auf natürlichem Weg über die mit Streckmetall vergitterten Fassadenöffnungen oberhalb der Tore. Über Schlitze in den Laibungen der Tore, die ebenfalls mit Streckmetall abgedeckt sind, strömt frische Zuluft in die Kammern nach. Nur an heißen Sommertagen müssen Ventilatoren zur Kühlung zugeschaltet werden. Als Referenz an die Aufgabe des Umspannwerks, den Stadtteil mit Strom zu versorgen, wählten die Architekten eine Bekleidung aus Kupferblech für die Tore. Das hoch leitfähige Metall, das für die Stromerzeugung unentbehrlich ist, findet ebenso bei den Türen, Streckmetallgittern, Verkleidungen, Absturzsicherungen und Fallrohren Verwendung.
Die Zinnen des wehrhaften Zweckbaus resultieren aus der Planungsgeschichte. So waren ursprünglich über der Trafohalle noch zwei Bürogeschosse geplant. Dafür hätte aber der Bebauungsplan geändert werden müssen. Um diese zeitliche Verzögerung zu vermeiden, beschnitt man den geplanten Bau – und zwar exakt auf der Höhe, die der Bebauungsplan als Grenze vorgab. Die Zinnen sind demnach die Reste der geplanten Fensterlaibungen. In einem zweiten Bauabschnitt soll das Gebäude um die beiden Bürogeschosse ergänzt werden, sodass die Zinnen wieder verschwinden. Hild und K haben mit dieser Taktik ein Werk geschaffen, das mit all seinen Besonderheiten als fertiges Gebäude gelesen werden kann. Das aber auch darauf verweist, dass sein Entstehungsprozess noch nicht abgeschlossen ist.
Beton und Kupfer prägen die Fassaden des Umspannwerks. Die Außenwände des Stahlbetongebäudes in Halbfertigbauweise sind 40 Zentimeter stark. Da der Zweckbau nicht der EnEV unterliegt, benötigt er keinen zusätzlichen Wärmeschutz in Form von Wärmedämmung. Die Wand wurde allerdings statisch darauf ausgelegt, eine eventuelle Aufstockung mit Bürogeschossen zu tragen.
Die Betonoberflächen der Fassade waren in Sichtbetonklasse SB3 ausgeschrieben. Die Bereiche unterhalb der Lüftungsöffnungen ließen die Architekten stocken. Durch diese handwerkliche Oberflächenbearbeitung blieben – anders als etwa beim Spitzen – die Schalungsplattenstöße und Ankerlöcher sichtbar.
Ein aus der Fassade hervorstehendes Betonband, das um die Öffnungen oberhalb der Tore mäandert, bildet auf der Straßenseite die Grenze zwischen gestockter und nicht gestockter Fassade. Das Band mutet an wie ein Ornament, wurde aber aus einer praktischen Überlegung heraus entwickelt: Beim zweiten Bauabschnitt soll es als Auflager der Dämmung dienen, die von den geplanten Bürogeschossen um einen Meter an der Fassade hinabgezogen wird, um eine Wärmebrücke an der Geschossdecke zu vermeiden. Solange das Betonband auf seine endgültige Bestimmung wartet, belebt sein Schattenwurf die Fassade.
Das Logo der Stadtwerke München wurde als Betonfertigteil entwickelt und nach Fertigstellung des Rohbaus in eine Öffnung der Außenwand eingestellt. Die darüber liegende Fassade ist etwas dunkler als der Rest der Außenhaut, da dieser Bereich aufgrund eines vorübergehenden Baustopps etwas später betoniert wurde – die Betonoberfläche erzählt in diesem Bereich ein weiteres Kapitel der Planungsgeschichte. -chi
Bildnachweis: Michael Heinrich, München
Social Stream
Instagram
Linkedin
Youtube
Folgen Sie uns auf: