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Wiederaufbau: Alte Kelter in Miedelsbach

Sigrid Hintersteiniger Architects

Architektur

Sigrid Hintersteiniger Architects

Bauherr

Grundstücksverwaltung Arnold

Projektbeteiligte

Mayer-Vorfelder Dinkelacker Ingenieurgesellschaft für Bauwesen(Tragwerksplanung); Bauberatung Brandschutz Fakesch (Brandschutzgutachten) Ingenieurbüro Stapf (HLS-Planung); Horstmann + Berger(Ingenieurbüro für Bauphysik); GEP Gebäudetechnik(Elektroplanung); BFI Zeiser (Büro für Ingenieurgeologie, Bodengrundgutachten); Käser Ingenieure (Ingenieurbüro für Vermessung); Kalis Innovation(Bauausführung)

Jahr

2022

Ort

Schorndorf, Bronnfeldstraße

Beschreibung

Von Weinbergen ist in der Gegend um Schorndorf, vor den Toren Stuttgarts, heute nichts mehr zu sehen. Sie verschwanden im frühen 20. Jahrhundert, als die Reblaus die Ernte der Weingüter vernichtete. Übrig blieb die Alte Kelter am östlichen Ortsrand von Miedelsbach. In dem bereits im 14. Jahrhundert errichteten Gebäude war schon lange kein Saft mehr aus Trauben gepresst worden, als es demontiert und wiederaufgebaut wurde. 2022 eröffnete in dem Gebäude ein Schulungs- und Kulturzentrum nach Plänen von Sigrid Hintersteiniger Architects.

In den Wirtschaftswunderjahren übernahm Alfred Arnold die Alte Kelter und richtete dort eine Fertigungsstätte für das Mehrscheiben-Isolierglas, das er 1959 entwickelt hatte und sich als Industriestandard etablierte. Nachdem die wachsende Produktion verlagert worden war, wurde das Gebäude zwischenzeitlich als Turnhalle genutzt. Dann diente es über viele Jahre einem örtlichen Unternehmen als Lagerhaus. Ab 2014 stand das Fachwerkhaus mit Krüppelwalmdach leer und verfiel zusehends.

Zurück in Firmenhand
Die Firmengruppe Arnold Glas hat seit einigen Jahren ihren Sitz im nahegelegenen Remshalden. Rund 1.000 Mitarbeiter*innen beschäftigt der Glasveredler an acht Standorten. Als sich der 100. Geburtstag Alfred Arnolds näherte, begannen sein Sohn Hans-Joachim Arnold, einer der geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens, und seine beiden Brüder, sich für die Alte Kelter zu interessieren. Sie wollten das zerfallende Fachwerkhaus in eine Schulungsakademie für die Firma umbauen und es dadurch wiederbeleben. Schließlich erwarben sie das denkmalgeschützte Gebäude und das angrenzende Grundstück im Erbbaurecht. Ende November 2020 folgte der Spatenstich.

Seit dem Wiederaufbau nutzt Arnold Glas die Alte Kelter – mittlerweile Arnoldakademie getauft – für jährlich 20 bis 30 interne Firmenworkshops und Seminare. Zugleich soll sie den 2.100 Miedelsbacher*innen für Firmenfeiern, Hochzeiten, Konzerte, Ausstellungen und andere offenstehen. So soll auch vermieden werden, dass das Gebäude die meiste Zeit des Jahres über leersteht.

Sorgsamer Wiederaufbau
Wer die Alte Kelter heute sieht, vermutet wahrscheinlich, dass es sich um einen Umbau handelt. Auf alten Fotos ist jedoch zu erkennen, dass ursprünglich auch das Erdgeschoss als Holzfachwerk errichtet worden war, obwohl das Gebäude zum Teil im ansteigenden Gelände steht. Über die Zeit setzte die Feuchtigkeit des Erdreichs dem Fachwerk zu. 

Tatsächlich war der Zustand der Außenwände unter statischen und baubiologischen Gesichtspunkten derart schlecht, dass es abgetragen werden musste und somit zwangsläufig auch der noch tragfähige Kehlbalkendachstuhl. Das Gebälk und das Fachwerk der Giebelwände wurden demontiert, zwischengelagert, gereinigt und wiederaufgebaut. Heute steht das historische Dachgeschoss auf neu errichteten Betonwänden.

Raumbox mit Aussicht
Ganz unversehrt blieb der Dachstuhl jedoch nicht. Was von außen aussieht, wie eine lange, gläserne Gaube, ist in Wirklichkeit das Obergeschoss einer Raumbox. Die Architektin entwarf sie, um einerseits den hohen Raum und den Blick in den mächtigen, historischen Dachstuhl freizuhalten. Andererseits fungiert die Glaskonstruktion wie ein Dachfenster, das den Innenraum mit gleichmäßigem Nordlicht versorgt.

Im aus Beton gegossenen Erdgeschoss der Box sind Sanitär-, Technik- und Lagerräume untergebracht, im rundum verglasten Obergeschoss – über eine innenliegende Treppe erreichbar – ein Seminarraum und eine Lounge für Besprechungen. Damit die Glasbox das Pfettendach auf so großer Breite durchbrechen konnte, waren Eingriffe in die historische Konstruktion nötig. Mehrere Deckenbalken wurden durchtrennt. Die Lücke wurde mit einer im Betongeschoss der Box verankerten Stahlrahmen-Konstruktion geschlossen.

Beton

Obwohl völlig neu, wirkt die Sichtbetonfassade nicht ganz fremd. Das mag daran liegen, dass die Außenseite der 16 Zentimeter dünnen Betonwände Spuren des vormaligen Fachwerks zeigt. Für diesen Effekt wurde eine Schalungsmatrize entwickelt, bei der sägeraue Holzbretter, die das historische Fassadenbild nachbildeten, auf die großflächigen Außenwandschaltafeln aufgebracht wurden.

Innenseitig wurden die Wände der Alten Kelter mit Kalziumsilikatplatten gedämmt und anschließend verputzt. Auch der neue Bodenbelag im Erdgeschoss erhielt eine an den Bestand angelehnte Struktur. Dazu wurde der frisch eingebaute Sichtestrich mit einer Riffelwalze durchzogen.

Quelle

Baunetz Wissen Beton

Bildnachweis: Brigida González (Fotos); Sigrid Hintersteiniger Architects (Pläne)

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