Tanja Lincke Architekten, Berlin
Tanja Lincke, Anselm Reyle
Tragwerksplanung: Pichler Ingenieure GmbH, Berlin
Bauphysik: Müller BBM GmbH, Planegg
Betontechnologie: Fläming Baustoff Labor GmbH, Treuenbrietzen
Brandschutz: hpp berlin GmbH, Berlin
2017
Berlin, Baumschulenweg,
Stahlbeton-Pfahlgründung in Kombination mit Wänden und Attikakranz aus Leichtbeton
Gebäude nutzungsoffen, aktuelle Raumunterteilung durch Möbel
Installationsschacht zwischen zwei Glasbausteinwänden für Revisionszwecke begehbar
Am südlichen Zipfel des Berliner Plänterwalds, da, wo der Weg abrupt am Spreeufer endet, steht auf dem Gelände der ehemaligen Werft der DDR-Wasserschutzpolizei ein ungewöhnliches Haus. Es scheint einerseits immer schon hierher gehört zu haben, andererseits hebt es sich im doppelten Wortsinn ab und spricht eine sehr aktuelle Sprache. Und tatsächlich stammt es aus dem Jahr 2017.
Die Architektin, Bauherrin und Bewohnerin in Personalunion ist Tanja Lincke. Die gelungene Gratwanderung zwischen Ortsgebundenheit und individuellem Architektur-Statement ist dem intensiven Sichaneignen des Grundstücks und seiner baulichen Hinterlassenschaften geschuldet: Seit 2008 bereits gehört das Areal der Familie; Tanja Lincke baute zunächst einige Nebengebäude zu Atelier- und Büroräumen für ihren Mann, den Künstler Anselm Reyle, um. Später entstand noch ein Depot für die Kunstsammlung. Das baufällige Hauptgebäude aus DDR-Zeiten arrangierten die beiden zu einem Ruinengarten. Und schließlich entstand in diesem ruppig-idyllischen Ensemble direkt an der Wasserkante das eigene Wohnhaus. Es setzt den industriellen Charakter der Umgebungsbebauung fort – das war Tanja Lincke sehr wichtig. Zugleich setzt es sich ab, denn es steht auf einem rechteckigen Betonstempel. Die angehobene Bodenplatte wird außerdem durch sechs schlanke Stützen getragen. Je nach Blickwinkel scheint die Spree nun unter dem Haus durchzufließen. Boden- und Deckenplatte nehmen wie ein Sandwich den Glaskörper mit den Wohn- und Schlafräumen der vierköpfigen Familie in die Mitte. Der zentrale Kern birgt das Treppenhaus und die Bäder hinter den doppelschaligen Glasbausteinwänden, die wiederum geschickt die Haustechnik aufnehmen. Weitere Raumteiler werden durch Holzeinbauten gebildet, die eine als Schrank- oder Regal nutzbare Front und eine lehmputzverkleidete Seite haben. Das Treppensanitärgehäuse ragt über die Dachfläche hinaus; oben auf der Dachterrasse ist in ihm noch eine kleine Sommerküche untergebracht.
Mit der Entscheidung für einen Betonbau folgte Tanja Lincke dem Vorgefundenen auf dem Grundstück: den Betonstegen, der Uferbefestigung und den Plattenwegen aus dem gleichen Material. Außerdem schätzt sie das „Wesenhafte und Unmittelbare“ an Beton. Das Material gehöre „zu den wenigen Baustoffen, die mit dem Alter immer schöner werden“. Die Wände und die Deckenplatte bestehen aus Leichtbeton, der ohne Dämmung und Verkleidungen auskommt. Die Treppe ist aus Betonfertigteilen zusammengesetzt. Den unmittelbaren Charakter erhält der Beton hier dadurch, dass er nirgends verputzt oder gestrichen ist und die Schalung – eine industrielle Rahmenschalung für die Wände, eine Holzlattenschalung für die Stützen – sichtbar bleibt. Die Anmutung eines Rohbaus ist gewollt und außerdem, sagt Tanja Lincke, „lassen sich mit Beton die Bauteile wunderbar klar zusammenfügen“. Zudem schätzt sie das Material wegen seiner langen Lebensdauer als nachhaltigen Baustoff.
Die Identifikation mit dem Grundstück und intensive Beschäftigung mit dem Bauprozess verleitete die Familie dazu, schon ein halbes Jahr vor Fertigstellung des Haupthauses in einer umgebauten Garage vor Ort zu überbrücken.
Bildnachweis: Noshe, Berlin / Pläne: Tanja Lincke
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