Luczak Architekten, Köln
privat
Ingenieurbüro Kinzer + Lindenberg (Statik); Veit Brieden Ingenieure (Haustechnik); Magazin Klaus Wolter KG (Lichtplanung); Bauunternehmung Udo Büchel, Düren (Bauunternehmung); Fa. Kesseler (Schlosser); Yachtbau Schilling (Schreiner, Schalung Küchenblock); Blähton-Liapor GmbH & Co. KG (Gesteinskörnung); Dyckerhoff Beton, NL Rhein-Ruhr GmbH & Co. KG, Werk Berzdorf (Transportbeton)
2010
Waldsiedlung in Köln-Junkersdorf
massiver Sichtbetonbau aus Ortbeton
Sicht-Leichtbeton in Ortbetonbauweise
Die Anzahl der Wohnungsbauobjekte, die saniert oder erweitert werden, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Ein gelungenes Beispiel für eine energetische Sanierung eines Bestandsgebäudes, das zugleich erweitert und gestalterisch aufgewertet wurde, stellt das Gebäude mit Sichtbetonanbau in der Waldsiedlung in Köln-Junkersdorf dar.
Das Büro Luczak Architekten aus Köln plante und betreute die Sanierung bzw. den Umbau des Gebäudes vom Entwurf bis zur Bauleitung. Die Bauherren wünschten, dass dem Objekt eine zeitgemäße Formsprache verliehen werden sollte. Die Straßenfassade wurde deshalb als Reminiszenz auf die einfache 50er-Jahre-Architektur als reduzierte Lochfassade ausgebildet. Hierbei wurden die scharf geschnittenen Fensteröffnungen sogar noch verschäft. Das Konzept des Satteldaches wurde zur Vorderseite hin gegenüber dem Altgebäude kaum verändert, zur Rückseite hin verwandelt es sich jedoch in kubische Baukörper. Somit gelang es den Architekten, eine neue Architektur zu schaffen.
Dabei geht der zentrale Sichtbetonanbau auf der Gartenseite - anders als bei der Nachbarbebauung, die die erlaubten Anbauten additiv behandelt - eine neue Einheit mit dem Bestand ein. Diese Methode verstehen Luczak Architekten eher als ein Weiterbauen und Hybrid als ein Nebeneinander im Stilmix von Alt- und zeitgeistigem Neubau.
Der Sichtbetonanbau
Den wegen der gewünschten Raumerweiterung notwendigen Anbau an das Altgebäude konzipierten Luczak Architekten als massiven Sichtbetonkubus aus Ortbeton, der sich monolithisch und zugleich durchlässig in das Gebäude fügt. Zu dessen Seiten wird durch Betonrahmungen - sogenannte Flying Beams - eine Terrassen und Hofzone auf der vollen Hausbreite –definiert, die mit dem verglasten Anbau eine zwischen Innen und Außen oszillierende Raumfolge formuliert. Die Architekten entschieden sich auch für die monolithischen Betonbauteilen, um einen starken Kontrast zu den dünnhäutigen Wänden des Altbaus zu schaffen. Die klare Form des Betons erlaubt somit die Ausbildung von neuen Details, von Öffnungen und gerahmten Perspektiven.
Gezielt wurde bei den 60 cm massiven Wänden aus Leichtbeton die unregelmäßige, beinahe rohe Oberfläche in Szene gesetzt. Die exotische Variante, einen Leichtbeton mit einer sehr geringen Rohdichte (D1,0) in Ortbetonweise herzustellen, bewirkte eine natürliche Porenstruktur, die im Einklang mit den Fensterrahmen, dem dunklen Holz des Bodens oder dem verglasten Kamin im Esszimmer einen intimen Wohnbereich schafft.
Der Innenraum als erlebbare Einheit
Betrachtet man das Gebäude von außen, wird die unterschiedliche architektonische Formensprache von Alt und Neu offenbar, die Architektur des Innenraums hingegen gestaltet die verschiedenen Rückzugsbereiche als erlebbare Einheit, ohne dass ein Übergang von Alt und Neu bemerkbar ist. Verstärkt wird dieser Eindruck, da sich die Sichtbetonflächen im Treppenhaus des Altbaus fortsetzen.
Um Großzügigkeit im Inneren zu schaffen, wurde ein Teil der alten Geschossdecke entfernt und das Haus in der Mittelachse in den Garten erweitert. Somit entsteht im EG eine offene Koch-, Ess- und Wohnebene, die von einer getrennten Gäste- und Hauswirtschaftszone an der Straßenseite flankiert wird. Die durch die Deckenaussparung nun zweigeschossige Halle im Zentrum des Hauses verbindet alle Raumteile. Ein Oberlicht fungiert als natürliche Lichtquelle und gewährt Blickbeziehungen in drei Dimensionen: in die Höhe zu den im Obergeschoss liegenden Kinderzimmern, in die Breite zu Küche und Esszimmer und in die Tiefe (durch den Anbau) in den Garten. Das Dachgeschoss konnte durch zwei Aufbauten zum Eltern-Schlafbereich mit offenem Bad und Dachterrasse ausgebaut werden, Schiebetüren lassen sich soweit öffnen, dass auch hier Außen und Innen ineinander übergehen. Die Dusche ist seitlich zur Dachterrasse voll verglast, aus der Badewanne ist ein freier Blick über die Terrasse und durch ein Oberlicht in den Himmel möglich. Die symmetrische Anordnung der Fenster-Laibungen im Schrägdach und die exakte Ausbildung der Raumkanten verstärken die grafische Wirkung des Raums. Die Kombination aus eingeschnittener Dachterrasse und „Lochfenstern“ in den Himmel erweitert den vormals engen und niedrigen Spitzboden zu einem in die Natur geöffneten Rückzugsraum in den Baumwipfeln.
Die Küche
Der harmonische Kontrast, der sich durch das Ensemble von strukturierten Sichtbetonflächen und den übrigen monochromen Flächen einstellte, bewog die Bauherren, sich auch für einen Küchenblock aus Beton zu entscheiden.
In einer scheinbar frei über dem ebenfalls schwebenden dunklen Holzkorpus auskragenden massiven Arbeitsplatte sind Gaskochfeld und Waschbecken eingelassen, leicht in der Höhe versetzt schließt sich auf der anderen Seite der tragenden Scheibe eine Tischfläche an. Speziell für diese Raumsituation von Thomas Luczak im Detail konstruiert, wurde der Küchenblock vor Ort aus selbst verdichtendem Beton angefertigt.
Energetische Optimierung des Gebäudes
Die bei dem Objekt vorgenommenen Energie einsparenden Maßnahmen bezogen sich zum einen auf die energetische Sanierung des Bestandsgebäudes. Darüber hinaus planten die Architekten den Anbau aus einschaligem Leichtbeton ohne zusätzliche Wärmedämmung mit einem sehr geringen Wärmeleitfähigkeitswert. Beim Bestandsgebäude wurde ein Wärmedämmverbundsystem eingebaut, die Kellerdecken gedämmt und eine Vollsparrendämmung im Dachgeschoss vorgenommen. Die vorgefundene Heizungsanlage wurde durch eine moderne Brennwert-Gas-Heizkesselanlage ersetzt, alle Fenster wurden erneuert. Um die KfW-Vorgaben einzuhalten , wurde für den Sichtbeton im Anbau die sehr niedrige Rohdichte von D1,0 gewählt (tatsächliche Rohdichte: 1000 kg/m3. Zum Vergleich: ein herkömmlicher Normalbeton liegt in einem Rohdichtebereich zwischen 2300 und 2400 kg/m3.) Dies entspricht einem Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit λR von 0,49 [W/(mK)].
Anforderungen an den Beton
Obwohl man die Herstellung von Fassadenelementen aus Leichtbeton oder vorgefertigte Wandelemente aus Leichtbeton in der Baupraxis häufig antrifft, ist in Deutschland die Ausführung von Sicht-Leichtbeton als Ortbetonbauweise die Ausnahme. Das Büro Luczak Architekten hatte bereits vorher größere Objekte mit herkömmlichem Sichtbeton realisiert und viele Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt. Die Sichtbetonwände wurden als 60 cm dicke monolithische Bauteile aus einem gefügedichten Leichtbeton mit extrem geringer Rohdichte geplant, um die aus dem Baukörper verlaufenden Betonrahmungen fugenlos auszuführen zu können, was bei einer zweischaligen Bauweise mit Innendämmung nicht möglich gewesen wäre. Die große Wandstärke wirkt als Kontrast zum dünnhäutigen Bestandsbau, war aber auch notwendig, um einen niedrigen Wärmeleitwert einzuhalten.
Zwischen Bauherren und Planer wurde keine Sichtbetonklasse vereinbart, anhand von Referenzobjekten wurde statt dessen über Unregelmäßigkeiten an Sichtbetonflächen diskutiert, die sich insbesondere einstellen können, wenn Leichtbeton vor Ort betoniert wird. Die zum Teil sichtbaren Strukturen und Marmorierungen an den Wänden wurden bereits im Vorfeld als natürliche Gestaltungselemente, die dem Beton die gewünschte Rauigkeit verleihen, geschätzt.
Die Betonzusammensetzung
Die genaue Betonzusammensetzung wurde vom Betonhersteller in enger Abstimmung mit dem Hersteller der Blähton-Gesteinskörnung vorgenommen. Da es sich bei den Wänden des Anbaus um nicht tragende unbewehrte Bauteile handelt, genügte die Druckfestigkeitsklasse LC8/9 sowie die Expositionsklasse X0. Der Beton wurde mit der Konsistenz F3 hergestellt, das Ausbreitmaß nach 10 Minuten betrug 480mm. Das maximale Größtkorn des Blähtons maß 4mm, die Sieblinie wurde vom Hersteller der Blähton-Gesteinskörnung vorgegeben. Als Zement kam der stark hüttensandhaltige CEM III/B N-LH/HS/NA zum Einsatz. Der hohe Anteil an Hüttensand wurde gewählt, damit die Hydratationswärme bei der großen Wandstärke von 60 cm möglichst gering gehalten und eine Rissbildung des unbewehrten Betons vermieden werden konnte. Als Zusatzmittel wurde dem Frischbeton ein Stabilisator (0,2%/m3) beigemischt.
Betonherstellung und Ausführung
Da die Herstellung von Leichtbetonbauteilen aus Transportbeton mit sehr geringen Rohdichten eher eine Ausnahme ist, arbeitete der Betonlieferant eng mit dem Hersteller der Blähton-Gesteinskörnung zusammen, der die genaue Zusammensetzung anhand von Erfahrungswerten vorgab, da beim Einsatz mit leichten Gesteinskörnungen je nach Hersteller mitunter andere Mischungsverhältnisse erforderlich sind.
Als Vorlage für die bauausführende Firma erstellten die Planer für den Anbau und das Treppenhaus vorab einen Schalungs- und Ankerplan. Bei der Schalung kam eine herkömmliche Sperrholzschalung mit einer Schalhaut nach DIN 68792 zum Einsatz. Das Bauteil wurde unbewehrt ausgeführt, Stahlmatten oder –körbe mussten nicht montiert werden. Obgleich normalerweise bei der Herstellung von Sichtbetonflächen die Erstellung von Erprobungswänden angeraten ist, verzichteten die Planer aufgrund der geringen Größe des Bauteils hierauf – zumal die ersten Ergebnisse die Architekten und die Bauherren zufriedenstellten.
Der Einbau des Betons erfolgte über einen Autokran mit Kübel. Der Einsatz einer Betonpumpe war aufgrund der niedrigen Rohdichte des Betons nicht möglich, da aufgrund des Pumpdruckes ein Teil des Anmachwassers in die leichte Gesteinskörnung eindringen kann und somit die Konsistenz möglicherweise verändert wird. Bei der Nachverdichtung des Betons wurde auf einen vorsichtigen Umgang mit den vorhandenen Innenrüttlern geachtet, damit die leichte Gesteinskörnung nicht aufschwamm und der Beton sich nicht entmischte. Die fertig gestellten Sichtbetonflächen wurden anschließend hydrophobiert, um ein Abmehlen der Oberfläche zu vermeiden und diese zugleich vor Witterungseinflüssen und Verschmutzungen zu schützen.
Bildnachweis: Nicole Compère für BetonMarketing West
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