Realarchitektur, Berlin
Christian Boros, Wuppertal
Jens Casper, Petra Petersson, Andrew Strickland (Architektur); Ingenieurbüro Herbert Fink, Berlin (Tragwerksplanung); Timo Herrmann, bbz Landschaftsarchitekten, Berlin (Landschaftsarchitektur); Instanconcept, Wuppertal (Objektdesign Penthouse); mediumlicht, Reinhard Germer, Berlin (Lichtberatung); mib, märkische ingenieurbau gmbh, Wriezen (Rohbau); BBT Betonbohr- und Sägetechnik GmbH, Berlin (Abbruch); Berghäuser und Sohn (Innenausbau)
2007
Berlin, Ecke Albrechtstraße/Reinhardtstraße
Rückbau mit Diamantschneidetechnik, Neubau einer Penthouse-Etage auf den denkmalgeschützten Bunker
Architekturpreis Beton 2008
Der Hochbunker wurde im Jahre 1942 unter der Bezeichnung „Reichsbahnbunker Friedrichstraße“ erbaut und befindet sich an der Ecke Albrechtstraße/ Reinhardtstraße in Berlin-Mitte. Die Planung begann 1941 unter der Leitung von Albert Speer im Rahmen des „Führer-Sofortprogrammes“ für die Schaffung ziviler Luftschutzanlagen. Der bis zu 2000 Personen fassende Bunker sollte den Reisenden des in der Nähe gelegenen Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße Schutz vor alliierten Luftangriffen bieten, außerdem konnte sich die Zivilbevölkerung des umliegenden Wohngebiets und Besucher des Deutschen Theaters bei Fliegeralarm hier in Sicherheit bringen.
2003 erwarben Christian und Karen Boros den eher an einen gigantischen Palazzo als an einen Schutzraum erinnernden Hochbunker und begannen mit den Vorbereitungen, das Gebäude für ihre Sammlung von zeitgenössischer Kunst umzubauen. Mit dem Umbau wurde Jens Casper vom Berliner Büro Realarchitektur beauftragt. In einem Jahr Planung und vier Jahren Umbau entstanden ein Ort für die Sammlung und auf der 1.000 qm großen Dachfläche ein Penthouse mit Terrassen und Dachgärten.
Das neu entstandene Privatmuseum verfügt über 3000 qm Ausstellungsfläche mit Raumhöhen von 2,30 bis 13,00 Metern. Viele der niedrigen Zwischendecken wurden unter großem Aufwand entfernt: Man nutzte die extrem zeitaufwändige Diamantschneidetechnik, die herausgesägten Betondecken wurden im Bunker zerkleinert und mussten per Hand hinaus getragen werden.
Aus den 120 vorgefundenen Räumen kreierten die Architekten 80 Räume mit großartigen Raumstrukturen, welche nun die Kunstsammlung aufnehmen oder individuell durch „künstlerische Interventionen“ bespielt werden. Im neu geschaffenen Eingangsbereich des Gebäudes erinnern Fragmente einer alten Lüftungsanlage und verschiedene, erhalten gebliebene Graffiti an ehemalige Nutzungen des Gebäudes. Die Sanierung wurde in enger Kooperation mit der Berliner Denkmalpflege durchgeführt, im Unterschied zu den meisten renovierten Straßenzügen und Gebäudefassaden der Berliner Innenstadt blieben Kriegs- und Nutzungsspuren bestehen und wurden in das neue Konzept integriert.
Der Bunker hat eine quadratische Grundfläche mit einer Länge von etwa 38,00 Meter und einer Höhe von 16,00 Metern. Die 2,00 Meter dicken Außenwände und das 3,10 Meter dicke Dach bestehen aus massivem Stahlbeton. Der Schutzraum im Inneren erstreckt sich über fünf Etagen, die ursprüngliche Raumhöhe betrug nur 2,30 Meter. Beim Bau wurde so genannter „Blauer Beton“ verwendet. Dieser spezielle Beton war zur damaligen Zeit einer der widerstandsfähigsten Baustoffe und erst nach etwa 30 Jahren voll ausgehärtet. Die Oberfläche wurde als unbehandelter Sichtbeton mit den Spuren der Bretterverschalung belassen. Im Zuge der Sanierung wurde Wert darauf gelegt, dass neu hinzugefügte Elemente wie Aufzüge und Treppen aus feuerverzinktem Stahl oder Stufen, Podeste und Geländer aus Streckmetallblech die konkrete Materialität des Bunkers effektvoll kontrastieren.
Auf dem massiven Korpus des Bunkers entstand eine neue Etage mit privaten Wohn- und Arbeitsbereichen, Bädern und einer Bibliothek. 3,75 Meter hohe Stahlbetonwände und eine transparente Fassade tragen stützenfrei ein in Teilen weit auskragendes Stahlbetondach mit 26 Metern Seitenlänge. Zusätzliches Licht lassen Oberlichter in den offenen Grundriss der Wohnung, deren Räume durch den sichtbar gelassenen Beton der Wände und der Dachdecke geprägt sind. Hierfür wurde ausdrücklich keine Sichtbetonqualität beauftragt, um durch die Spuren der Schalungs- und Betonierarbeiten eine Lebendigkeit der Oberflächen zu erreichen. Die Wohnung wird durch den Bunker erschlossen, die verwendeten Materialien für Treppe, Aufzug und verschiedene Einbauten lassen eine Einheit zwischen Wohnhaus und Ausstellungsräumen entstehen. Der Wohnbereich ist auf allen Seiten von einem intensiv bepflanzten Garten und mehreren teilweise überdachten Terrassen umgeben. So bilden Bunker und Wohnbereich einerseits eine Einheit, andererseits triumphiert die Wohnung durch den offenen Grundriss und den weiten, freien Ausblick über die Hermetik des Bunkers.
Die Jury des Architekturwettbewerbes honorierte die mit viel Gefühl für die vorgefundene Bausubstanz umgesetzte Lösung der Bauaufgabe mit dem Architekturpreis Beton 2008. Sie betonte in ihrer Begründung sowohl die beispielhafte architektonische Umsetzung der Umnutzung des ehemaligen Bunkers, als auch die „kompromisslos moderne, nüchterne Architektursprache“ des neuen Penthouse, welches logisch und selbstverständlich aus der Struktur des Betonbunkers entwickelt worden sei.
Bildnachweis: BauBild Berlin, Stephan Falk
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