16.02.2021

Fahrmischer als Farbtöpfe

Gemalte Wand vor dem Bürgerspital Solothurn

Eine Betonwand zu gestalten ist das eine – eine Wand in Beton zu malen etwas ganz anderes. Der Zürcher Künstler und Architekt Christoph Haerle beschäftigt sich schon lange mit den Möglichkeiten von farbigem Beton. Nun lotete er in einem Kunst-am-Bau-Projekt aus, was im Spannungsfeld von Bildhauerei, Architektur und Bautechnik möglich ist.

Entstanden ist ein fünf Meter hohes und sechzig Meter langes Bauwerk – mit Schläuchen als Pinsel und Fahrmischern als Farbtöpfen. Die Wand sitzt vor dem von Silvia und Reto Gmür geplanten Neubau des Bürgerspitals Solothurn und leitet die Besuchenden von der Bushaltestelle bis zum Haupteingang des Krankenhauses.

Entwurf mit Nagellack

Vorlage für das Werk war ein fünf auf 18 cm großes Bild aus Nagellackfarben, das der Künstler vorab erstellt hatte. Dieses scannte er ein und vergrößerte es. Die darauffolgende rasterartige Einteilung in kleine Einheiten half dabei, die nötigen Mengen an farbigem Beton zu berechnen und einen Plan für die Ausführung zu erstellen.

„Es war eine Premiere für mich, eine konkrete Bildvorlage auf diese Art umzuarbeiten“, sagt Christoph Haerle. Die Umsetzung erforderte auch Anpassungen: „Einen der roten Farbtöne habe ich in der Ausführungsplanung in einen blauen verwandelt, aus psychologischen Gründen. Und dass, obwohl blaue Pigmente etwa neunmal teurer sind als solche in Oxidrot.“

Präzise Choreografie

Bauarbeiter und Betonpumpenmaschinisten führten das „gebaute Gemälde“ in einer präzisen Choreografie aus. Der nötige Transportbeton für die vier Etappen kam in jeweils fünf Fahrmischern auf die Baustelle und wurde dort mit fünf verschiedenen Pigmenten eingefärbt. Dadurch konnte darauf verzichtet werden, die Mischstraße im Werk entsprechend anzupassen, was sehr aufwendig gewesen wäre.

„Die Herausforderung war, dass wir nicht genau wussten, wie der Beton letztlich reagiert, wie sich sein Verhalten über die Zeit ändert. Der minutiösen Planung stand das anarchische, nicht vorhersagbare Ergebnis gegenüber“, sagt Haerle.

Die intensive Vorbereitung der Betonage begann für Künstler und Transportbetonwerk schon ein Jahr im Voraus. Als Training für die späteren Abläufe vor Ort wurden unter anderem Probestücke gegossen. Schon bei diesen Übungen wurde deutlich, dass sich nach dem Ausschalen – unter anderem abhängig von der Entwicklung der Viskosität des Betons – überraschende Effekte zeigen würden.

Konzertierter Kraftakt

Die Betonage war ein konzertierter Kraftakt: Die etwa 15 Meter langen Bauabschnitte wurden mit je zwei Wochen Pause, dann aber jeweils zehn Stunden am Stück betoniert, wobei jede Einfüllbewegung nur etwa eine Minute Zeit in Anspruch nehmen durfte. „In so kleinen Mengen wird Beton in der Regel nicht eingefüllt, und normalerweise muss er auch nicht 20 Minuten auf die nächste Schicht warten“, sagt Haerle. „Um zu prüfen, ob der gewünschte Füllstand erreicht ist, haben wir die Schalungen mit Scheinwerferlicht ausgeleuchtet und mit Holzlehren die Höhe kontrolliert.“

Zu kämpfen hatte das Team auch mit der Sommerhitze, die den Beton teilweise bereits in den Gummischläuchen aushärten ließ, sodass diese ausgetauscht werden mussten. Letztlich gelang das gewagte Experiment einer gemalten Wand – dank der ausgetüftelten Betonzusammensetzung und der reibungslosen Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten.

Ein Video auf der Website des Künstlers zeigt die große gemeinsame Kraftanstrengung und die Erleichterung und Freude des Teams nach Abschluss der Arbeiten: www.haerlehubacher.ch/solothurn

Text: Claudia Hildner

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